Kirchheim Verlag
ISBN 978-3-87410-116-5
€ 22,00
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Sara trifft Toni nach Jahren wieder – beim Begräbnis der Frau, die sie beide als verwaiste Jugendliche aufgenommen hat. Die alte Vertrautheit und die alten Schwierigkeiten, die unbewältigten Ereignisse leben wieder auf. Und dann laufen ihnen noch zwei Achtjährige zu, der jähzornige Oliver und das Mädchen, das seinen Namen vergessen hat. Als sollten Sara und Toni sich in den Kindern spiegeln, beginnt das Spiel von neuem. Aber das alte Spiel ist noch nicht zu Ende gespielt.
Aus Berlin kommt Elvira dazu. Als Mittlerin? Sara hat einst Toni mit dem Holzscheit geschlagen, und mit ihm ihre erste sexuelle Begegnung gehabt. Auch Elvira ist in alten Verletzungen gefangen. Das kleine Mädchen Namenlos erlebt etwas Zerstörerisches mit einem weißen Zauberer beim Winterfestival.
Und der dicke Oliver, ohnmächtig seiner Wut ausgeliefert, versucht vor allem davonzulaufen. Sie streiten, gehen auseinander, nähern sich wieder an, gehen auseinander …
Doch eine Wende kündigt sich an: Elviras Liebe für den kleinen Oliver hilft ihm über den Berg. Sara und Namenlos, nur Mißverständnissen erliegend, lernen sich durch das Spiel mit Gebärden verstehen. Und sind es am Ende die Kinder, die Elvira und Sara ihre Liebe zueinander entdecken lassen?
Erzähler- und Zeitenwechsel, Lakonik, poetische Sprachpfade, Humor und großartige Dialoge machen den ereignisreichen, spannenden Stoff zu einem literarischen Vergnügen.
Sabina Lorenz, geboren 1967,
Studium der Sozialpädagogik in München und London.
Verschiedene Auszeichnungen und Preise zwischen 2002 und 2008,
Förderpreis des Stuttgarter Schriftstellerhauses, der im April 2011 verliehen wird.
Veröffentlichungen in Anthologien und Zeitschriften, u.a. in ndl.
Einzeltitel:
»Die Fremde ist ein Ort«, Gedichte, 2007 (Lyrikedition 2000)
»Echos für eine Nacht«, Gedichte, 2010 (Lyrikedition 2000)
Weblink: www.reimfrei.de
Sara ist verwandelt. Sie ist weiß. Weiß hat keine Worte. Weiß ist nur da und still. „Warum sagst du nichts?“ Sara lächelt weiß. Sie dreht einen unsichtbaren Schlüssel vor ihrem Kehlkopf. Dabei bewegt sie die Lippen, ohne zu sprechen. Aus irgendeinem Grund hat jemand den Ton abgestellt.
„Hast du deine Stimme eingesperrt?“ Sara lächelt. Das Mädchen hofft, ihr Lächeln würde vergehen wie eine weiße Wolke und nicht liegen bleiben wie weißes Eis. „Schlafen. Richtig schlafen, ich schlafe doch nicht falsch. Gut schlafen?“
Sie will diese ganze Weißheit nicht. Sara ist rot. Manchmal hellrot, manchmal orange, hin und wieder auch dunkelrot, aber weiß war sie noch nie, und das Kind versteht nicht, wie aus so viel Rot auf einmal Weiß werden kann.
„Warum sagst du nichts!“ Sara runzelt die Stirn und zeigt ihre Handflächen. Das heißt: Punktausbastaschluss. Dann macht sie: Komm, aufstehen, essen. Was einfach zu verstehen ist. Das Mädchen rutscht vom Bett und öffnet die Tür. „Schau, es hat geschneit!“ Die weiße Frau nickt weißweich. Das Schweigen ist wie Wasser, in dem jedes Wort ertrinkt. Sie sieht Sara zu, die sich mit weißer Zahnpasta ihre weißen Zähne putzt und fragt und fragt sich, wie Sara sich innerhalb einmal Schlafens verfärben konnte.
Als es noch nicht schneite, hat Sara noch gesprochen. Als es noch nicht schneite, hat Sara sie mit Worten erstochen. Doch wie kann der Schnee weiß und schön und Sara weiß und beängstigend sein?
Weil das Wesen des Schnees weiß ist. Darum ist er schön. Weil Weiß dort hingehört. Und das Wesen von Sara ist rot. Weshalb Weiß an ihr beängstigend ist. Weil es dort nicht hingehört. Das ist, als ob es mitten im August im Caravan während des Abendessens zu schneien begänne. Alle würden durcheinander reden, alle würden sich wundern. Und gewiss würde niemand glauben, dass es tatsächlich Schnee ist, der da herunterkommt. Weil er nicht in den Caravan gehört. Weil er dort am falschen Platz ist. Und auch noch zur falschen Zeit.
Gestern ist mir etwas Lustiges passiert, würde Sara sagen. Ich saß gerade beim Abendessen, da kam eine Ladung weißer Flocken heruntergerieselt. Es war höchstwahrscheinlich nichts anderes als eine Täuschung, aber für einen Moment dachte ich doch tatsächlich es sei Schnee! Ist das nicht komisch?
Hochsommer, Caravan und Schnee passen nicht zusammen. Und wenn Dinge geschehen, die nicht zusammen passen, glaubt man sie nicht, selbst wenn sie direkt auf die eigene Nase herabrieseln.
„Weißt du, was eine Täuschung ist?“ Sara sieht sie an, die Augenbrauen hochgezogen, ein sehr lautes, vernehmliches: Ja? „Ach nichts.“ Sie seufzt. Ohne Ton. Mitten im Weiß machen Laute keinen Sinn.
Lesetermine der Autorin:
lesen: Sabina Lorenz – Aufhellungen
20.10.2011
19:00 Uhr | LeTRa, München
Sabina Lorenz liest “Aufhellungen”
23. Oktober 2011 - | ||
11:00 - Buchhandlung Kirchheim, Bahnhofstraße 30, Gauting |
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