29 Mai 2012

Lesen macht klug und schoen 671 - Nina Bußmann - Große Ferien


Mit unheimlicher Präzision zieht Nina Bußmann uns hinein in ein Indizienspiel von parabolischer Gestalt. Während wir noch Opfer von Tätern zu unterscheiden suchen, drängt es uns unaufhaltsam hin zu jenem Moment, in dem ein Mann alles auf eine Karte setzt.


Nina Bußmann - Große Ferien
Roman


















Suhrkamp Verlag, Berlin 2012
ISBN-13 9783518422786
17,95 EUR
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Bereits seit Monaten unterrichtet Schramm nicht mehr; etwas soll vorgefallen sein zwischen ihm und einem Schüler. Die Kollegen haben es schon immer gewsst, hinter seinem Rücken zerrissen sie sich über ihn, der immer korrekt war, die Mäuler. Und in der Tat, Schramm war porös geworden über die Zeit mit dem Jungen, der ihm in seiner Radikalität gegen sich selbst so ähnlich schien, und plötzlich hörte Schramm ein "wir" und war wie verzaubert, vollkommen ungeschützt in einem Moment, und dann.. 
Zeit hat er jetzt genug, sollte man meinen, aber die Sache ist längst nicht ausgestanden. 
Und so wendet Schramm sich widerwillig an den einzigen Menschen, den er noch hat, seinen Bruder. 
Vielleicht kann dieser ihm helfen herauszufinden, wie eins zum andern kam, wer hier wen in der Hand hatte, wie die Dinge sich so gegen Schramm verschwören konnten.
Mit unheimlicher Präzision zieht Nina Bußmann uns hinein in ein Indizienspiel von parabolischer Gestalt. Während wir noch Opfer von Tätern zu unterscheiden suchen, drängt es uns unaufhaltsam hin zu jenem Moment, in dem ein Mann alles auf eine Karte setzt.























Nina Bußmann, geboren 1980 in Frankfurt am Main, lebt in Berlin. Studium der Komparatistik und Philosophie in Berlin und Warschau. Zahlreiche Veröffentlichungen in Anthologien und Zeitschriften. Beim Ingeborg Bachmann-Preis 2011 erhielt sie für einen Auszug aus ihrem Debütroman Große Ferien den 3sat-Preis.



Pressestimmen: 



»In klarer, eindringlicher Sprache entführt uns [die Autorin] in die Seelenwelt eines einsamen Menschen.«
focus.de

»Bemerkenswert sind auch die zu eigenwilligen Mustern gehäkelten Sätze, ist auch die Präzision, mit der selbst die unspektakulärsten Einzelheiten literarisch bezwungen werden. Ein eindrucksvoller Debüt-Roman. Sehr zu empfehlen.«
Annette Freudling, ekz-Informationsdienst

»Bußmann spickt ihren Roman mit markanten Sätzen und gescheiten Beobachtungen.«
Judith von Sternburg, FR

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 05.05.2012
Ulrich Rüdenauer schätzt diesen Roman über das Scheitern eines Lehrers von Nina Bußmann. Das Buch schildert für ihn eindringlich einen Tag im Leben eines Studienrats, der wegen einer handgreiflichen Auseinandersetzung mit einem Schüler, suspendiert wurde. Er attestiert der Autorin, konsequent die Perspektive des pedantischen, alleinstehenden, zurückgezogenen Lehrers zu wahren, den der Leser beim Nachdenken über sein Leben während der Gartenarbeit beobachten kann. Das Selbstquälerische dieses inneren Monologs - die Sprache des Romans beschreibt Rüdenauer als"autoagressive Bernhard-Suada" - überträgt sich in seinen Augen geradezu auf den Leser. "Große Ferien" scheint ihm glücklicherweise kein Buch, das in den Lehrplan passt, kommt es doch ohne "abprüfbare Botschaft" aus.

»Ein Kammerspiel der Moral, radikal wie David Lynch.« (Aus der Begründung der Jury zur Vergabe des 3sat-Preises)

http://www.3sat.de/mediathek/?display=1&mode=play&obj=30013

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 27.04.2012
Der Kosmos Schule ist nicht zuletzt deshalb ein so beliebter Romangegenstand, weil jeder einen Bezug dazu hat, meint Judith von Sternburg. In Nina Bußmanns Debütroman "Große Ferien" gehe es um den etwas schrulligen Physiklehrer Schramm, der im Garten Unkraut jätet. In Rückblenden werde von der Konfrontation mit einem Schüler erzählt und Schramms Familiengeschichte angedeutet. Weder von der formellen Anlage noch vom Inhalt des Romans ist die Rezensentin wirklich überzeugt. Bußmann habe ihn zwar "mit markanten Sätzen und gescheiten Beobachtungen" gespickt, doch die Rezensentin stört sich an der Überdeutlichkeit der Figurenanlage, während das Erzählerische weitgehend undeutlich bliebe. Für einen Roman sei das insgesamt doch "ein wenig dürr".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.03.2012
Meike Fessmann weiß Nina Bußmanns Debütroman "Große Ferien" zu schätzen. Das Buch um einen eigenbrötlerischen Lehrer, der wegen einer Ohrfeige, zu der ihn ein Schüler provoziert hat, suspendiert wird, zeichnet sich für sie durch Nüchternheit, ja eine "fast schmerzhafte Reinheit" aus. Wie die Autorin das Leben dieses um Ordnung, Gründlichkeit und Sorgfalt bemühten Lehrers rekapituliert, wie sie genau hinsieht und das Innenleben ihres Protagonisten indirekt beschreibt, hat Fessmann sichtlich beeindruckt. In ihren Augen geht es aber nicht nur um die Not eines Lehrers, sondern auch um das Scheitern des Schulsystems. Dass nach den Romanen von Markus Orths, Kai Weyand, Klaus Böldl und Judith Schalansky mit "Große Ferien" ein weiterer Roman über das Scheitern eines Lehrers vorliegt, versteht Fessmann als "Symptom" einer grundlegenden Misere.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 15.03.2012
Auch wenn Rezensent Hubert Winkels Nina Bußmanns Debütroman nicht ganz verstanden hat, beeindruckt ihn "Große Ferien" auf seine eigene Weise durchaus. Denn im Grunde genommen gehe es der Autorin um das Miss- und Nichtverstehen, berichtet der Kritiker, der hier den umständlichen Grübeleien eines äußerst vorsichtigen und verängstigten Physiklehrers folgt. Wie Bußmanns Protagonist sich immer weiter in seinen Gedanken verstrickt, erfährt der Rezensent bis ins kleinste Detail: mit einer ganzen Flut von Nebensätzen, Konjunktiven und Nebengeräuschen gelinge es der Autorin immer wieder, jeden Anflug einer konkreten und aussagestarken Situation aufzulösen. Und so kann Winkels schließlich nur vage erahnen, dass sich hinter den Grübeleien des Lehrers ein homosexuelles Verhältnis mit einem Schüler verbirgt, den er dreimal die Woche trifft. Die Art und Weise wie der Zweifel hier zum Erzählprinzip erhoben wurde, findet der Rezensent in jedem Fall "kunstvoll".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.03.2012
Erstaunlich reif findet Lena Bopp diesen Roman über das Verschrobenwerden. Dass Nina Bußmann darin dasselbe Thema aufgreift wie ihre Verlagskollegin Judith Schalansky, sieht Bopp als unglücklichen Zufall. Dem Buch nimmt das ihrer Meinung nach nichts. Bußmanns gekonnte Darstellung einer zwanghaften Lehrerexistenz, ihre kluge Entscheidung, vieles (ein Verbrechen womöglich) im Ungefähren zu lassen, ohne den Schrecken für den Leser zu schmälern, findet Bopp höchst anerkennenswert. Dass sie sich so selbstverständlich im Kopf eines beunruhigenden Charakters wiederfindet, schreibt sie dem Talent dieser Autorin zu.

podcast Nina Bußmann: "Große Ferien"
Länge: 7:26 Min - Nina Bußmann: "Große Ferien", Suhrkamp Verlag 2012, 17.95 Euro
Quelle: © hr, 20.03.2012


literaturkritik.de -  Lehrer „müssen die Dinge klären“
In Nina Bußmanns Debütroman „Große Ferien“ gehen einem Lehrer die Antworten auf sein eigenes Leben aus Von Dietmar Jacobsen
......das Psychogramm eines Gescheiterten. In wunderbaren Kontrast gebracht hat die in Berlin lebende Autorin dabei die Genauigkeit ihrer Beobachtung noch der kleinsten Dinge. Man lese nur die den Roman einleitenden Seiten, in denen der knieende und jätende Schramm dem Leser erstmalig vor Augen tritt! Dazu gehört aber auch das Diffuse jenes Vorfalls, um den das Denken des knapp fünfzigjährigen Lehrers beständig kreist. Der taugt tatsächlich nicht als einer, an dem das Leben eines gerade in den Kämpfen des Erwachsenwerdens Stehenden ausrichtbar wäre.....


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