Anne Laurel Carter - Amani, das Hirtenmädchen
(Ab 12 Jahre)
Jungbrunnen Verlag, Wien 2011
ISBN-13 9783702658243
13,90 EUR
Aus Englischen von Brigitte Rapp.
Amani macht
nichts lieber, als mit ihrem Großvater Seedo auf die Weiden zu
gehen und die Schafe zu hüten. Für sie steht fest, dass sie
eines Tages seine Nachfolgerin sein wird. Aber in Palästina ist
es schwierig, Pläne für die Zukunft zu machen. Die israelischen
Siedler rücken immer näher an das kleine Dorf heran, in dem
Amani wohnt. Sie verwüsten die Felder und den Olivenhain,
verbauen die Weideplätze der Schafe. Die Dorfbewohner gehen
unterschiedliche Wege: Einige glauben, durch Verhandlungen mit
den Israelis etwas erreichen zu können, andere setzen auf
Widerstand und radikale Maßnahmen. Ähnlich die Israelis: Einige
wollen den Konflikt friedlich lösen und unterstützen die
Palästinenser in ihren Verhandlungen, andere glauben an eine
gewaltsame Lösung und gehen mit Baggern auf die Menschen los.
Anne Laurel Carter ist Lehrerin und Bibliothekarin und lebt in Toronto. Seit 1971 hat sie immer wieder Israel besucht, dort in Kibbuzim gearbeitet und Hebräisch gelernt. Sie unterrichtete in Frankreich, in versteckten Dörfern im Norden von Quebec und in Ramallah, im besetzten Palästinensergebiet. Während der Recherchen zum Roman "Amani, das Hirtenmädchen" wohnte sie bei verschiedenen palästinensischen Familien. Ihre Kinder- und Jugendbücher wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.07.2011
Sehr angetan ist Rezensentin Regina Riepe von diesem Jugendbuch über das Hirtenmädchen Amani, die mit ihrer Familie in Palästina lebt. Dem Roman kommt in ihren Augen der Verdienst zu, den Leser in eine Welt zu führen, die sonst nur aus den Nachrichten kennt: in das Leben einer palästinensischen Familie, deren Existenz durch die israelische Siedlungspolitik bedroht ist. Dabei scheint ihr das Buch kein rein politisches, geht es doch auch um die Emanzipation Amanis, die am liebsten Hirtenmädchen sein möchte. Das fesselnde und einfühlsam geschriebene Buch bietet nach Ansicht von Riepe nicht nur eine "beeindruckende Identifikationsfigur", sondern gibt auch einen "differenzierten Einblick" in eine palästinensische Großfamilie und zeigt ohne Pauschalurteile den Widerstand gegen die Siedler inklusive Unterstützung durch israelische Friedensaktivisten.
Pressestimmen:
Spannend und einfühlsam geschrieben, mit einer beeindruckenden Identifikationsfigur, führt der Roman junge Leser in eine Welt, die sie nur aus den Nachrichtensendungen kennen.
Regina Riepe, Süddeutsche Zeitung
Fazit: Ein bemerkenswertes und empfehlenswertes Buch zu einer „politischen Grauzone“ im Nahen Osten.
AG Jugendliteratur & Medien
Ein Roman, der betroffen macht.
Stefan Hauck, buchjournal
Das warmherzige und engagierte Buch ist für Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen lesenswert.
Karin Weglage, Kirche+Leben
… ein bewegender Roman.
Buchjournal – Bestes aus dem Büchermeer für Kids
... ein sehr gelungener Jugendroman, der ein interessantes und problematisches Thema aufarbeitet und ... Jugendliche motiviert, einen Blick über den Tellerrand hinaus zu wagen und in andere Kulturen einzutauchen.
AG Jugendliteratur & Medien
Leseprobe:
Der erste Tag, an dem Amani auf dem Berg ihres Großvaters Schafe hütete, wäre beinahe ihr letzter gewesen.
Mama hatte Bedenken gehabt, es wäre zu gefährlich, schließlich sei sie erst sechs. Aber Seedo, Amanis Großvater, war Hirte, und Amani war entschlossen, ebenfalls Hirtin zu werden. An diesem Morgen hatte Allah ihre Gebete erhört. Seedo hatte sie auf den Berg mitgenommen.
Seit mehr als tausend Jahren hatte es einen Hirten in Amanis Familie gegeben, einen Sohn, der auf den flachen Berghängen die Schafe hütete, während andere unten im engen Tal das Land bestellten. Am Fuß der Hänge wuchsen unverwüstliche Olivenbäume auf Steinterrassen, aber Gemüse und Wein gediehen in dem trockenen Tal nur dank des Wassers, das von einer Bergquelle hinuntergeleitet wurde.
Nach dem Frühstück trieb Seedo seine Herde durch den Olivenhain auf einen kleinen Hügel hinauf, auf dem sich die Oase befand. Er drehte an einem Hahn zwischen zwei Bewässerungsrohren und füllte den langen Trog, einen Napf für seinen Hirtenhund und einen Becher für Amani und sich mit Wasser. Bevor sie tranken, wusch er sich zuerst die rechte, dann die linke Hand und pries Allah: „Bism Allah al-rahman al-rahim.“
Jetzt waren sie bereit für den steilen Aufstieg, der von der Oase zu Seedos Berg führte.
Amani lief hinter ihrem Großvater her und erreichte keuchend das obere Ende des Serpentinenwegs. Sie blickte zurück und schnappte nach Luft. Der Wassertrog weit unten war so klein wie das neue Mobiltelefon ihres Vaters. Von so weit oben sahen die grünen Blätter der Weingärten aus wie sprudelndes Wasser.
Und da, auf der anderen Seite des Tals – dieser winzige weiße Karton, der über den Weingärten auf dem gegenüberliegenden Hügel saß. War das nicht ihr Haus? Und die Gestalt, die hineinverschwand und wieder herauskam? Sie winkte mit etwas.
Es war Mama, die einen Teppich ausschüttelte.
Vor Amanis Augen begann sich alles zu drehen. Mama sah aus wie eine Ameise.
Amani wandte sich ab, damit das Drehen aufhörte. Sie setzte ihren ersten Schritt auf Seedos Berg, über dem sich nichts als der freie Himmel spannte. Entlang der Felsen wuchsen Strauchmelden und Disteln. Hundert Schafe drängten an ihr vorbei zum Futter.
„Der Hirte muss seine Herde beschützen“, sagte Seedo.
Amanis Großvater stützte sich auf seinen Stock und beobachtete sie. Seine starke Stimme übertönte das Blöken der hungrigen Tiere. Fast siebzig Jahre Mittelmeersonne hatten seine Haut so gegerbt, dass er Amani in diesem Moment an einen Olivenbaum erinnerte.
Amani nickte.
Das Jugendbuch der Kanadierin Anna Laurel Carter erzählt vom Nahostkonflikt aus der Sicht eines palästinensischen Mädchens. Schuldzuweisungen werden jedoch vermieden, die Autorin versucht, beide Seiten zu verstehen und die Ausweglosigkeit der ineinander verklammerten Gegner deutlich zu machen. Dabei ist das Buch keineswegs überfrachtet, auch 12jährige Leser verstehen, um was es geht und können sich eine Meinung bilden.
Der erste Tag, an dem Amani auf dem Berg ihres Großvaters Schafe hütete, wäre beinahe ihr letzter gewesen.
Mama hatte Bedenken gehabt, es wäre zu gefährlich, schließlich sei sie erst sechs. Aber Seedo, Amanis Großvater, war Hirte, und Amani war entschlossen, ebenfalls Hirtin zu werden. An diesem Morgen hatte Allah ihre Gebete erhört. Seedo hatte sie auf den Berg mitgenommen.
Seit mehr als tausend Jahren hatte es einen Hirten in Amanis Familie gegeben, einen Sohn, der auf den flachen Berghängen die Schafe hütete, während andere unten im engen Tal das Land bestellten. Am Fuß der Hänge wuchsen unverwüstliche Olivenbäume auf Steinterrassen, aber Gemüse und Wein gediehen in dem trockenen Tal nur dank des Wassers, das von einer Bergquelle hinuntergeleitet wurde.
Nach dem Frühstück trieb Seedo seine Herde durch den Olivenhain auf einen kleinen Hügel hinauf, auf dem sich die Oase befand. Er drehte an einem Hahn zwischen zwei Bewässerungsrohren und füllte den langen Trog, einen Napf für seinen Hirtenhund und einen Becher für Amani und sich mit Wasser. Bevor sie tranken, wusch er sich zuerst die rechte, dann die linke Hand und pries Allah: „Bism Allah al-rahman al-rahim.“
Jetzt waren sie bereit für den steilen Aufstieg, der von der Oase zu Seedos Berg führte.
Amani lief hinter ihrem Großvater her und erreichte keuchend das obere Ende des Serpentinenwegs. Sie blickte zurück und schnappte nach Luft. Der Wassertrog weit unten war so klein wie das neue Mobiltelefon ihres Vaters. Von so weit oben sahen die grünen Blätter der Weingärten aus wie sprudelndes Wasser.
Und da, auf der anderen Seite des Tals – dieser winzige weiße Karton, der über den Weingärten auf dem gegenüberliegenden Hügel saß. War das nicht ihr Haus? Und die Gestalt, die hineinverschwand und wieder herauskam? Sie winkte mit etwas.
Es war Mama, die einen Teppich ausschüttelte.
Vor Amanis Augen begann sich alles zu drehen. Mama sah aus wie eine Ameise.
Amani wandte sich ab, damit das Drehen aufhörte. Sie setzte ihren ersten Schritt auf Seedos Berg, über dem sich nichts als der freie Himmel spannte. Entlang der Felsen wuchsen Strauchmelden und Disteln. Hundert Schafe drängten an ihr vorbei zum Futter.
„Der Hirte muss seine Herde beschützen“, sagte Seedo.
Amanis Großvater stützte sich auf seinen Stock und beobachtete sie. Seine starke Stimme übertönte das Blöken der hungrigen Tiere. Fast siebzig Jahre Mittelmeersonne hatten seine Haut so gegerbt, dass er Amani in diesem Moment an einen Olivenbaum erinnerte.
Amani nickte.
Das Jugendbuch der Kanadierin Anna Laurel Carter erzählt vom Nahostkonflikt aus der Sicht eines palästinensischen Mädchens. Schuldzuweisungen werden jedoch vermieden, die Autorin versucht, beide Seiten zu verstehen und die Ausweglosigkeit der ineinander verklammerten Gegner deutlich zu machen. Dabei ist das Buch keineswegs überfrachtet, auch 12jährige Leser verstehen, um was es geht und können sich eine Meinung bilden.
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