25 April 2012

Lesen macht klug und schoen 643 - Milena Michiko Flasar - Ich nannte ihn Krawatte

Milena Michiko Flašar macht eine Parkbank zur Bühne, zu einem huis clos unter freiem Himmel.

Milena Michiko Flasar - Ich nannte ihn Krawatte

Roman




 ISBN-10 380313241X
16,90 EUR 
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Ist es Zufall oder eine Entscheidung? Auf einer Parkbank begegnen sich zwei Menschen. 
Der eine alt, der andere jung, zwei aus dem Rahmen Gefallene. Nach und nach erzählen sie einander ihr Leben und setzen behutsam wieder einen Fuß auf die Erde.
Nur wenige sorgfältig gewählte Worte benötigt Milena Michiko Flašar, um ihre Figuren zum Leben zu erwecken, nur wenige Szenen, um ganze Schicksale zu erzählen.

Ein junger Mann verlässt sein Zimmer, in dem er offenbar lange Zeit eingeschlossen war, tastet sich durch eine fremde Welt. Eine Bank im Park wird ihm Zuflucht und Behausung, dort öffnet er die Augen, beginnt zu sprechen und teilt mit einem wildfremden Menschen seine Erinnerungen. Der andere ist viele Jahre älter, ein im Büro angestellter Salaryman wie Tausende. Er erzählt seinerseits, über Tage und Wochen hinweg, Szenen eines Lebens voller Furcht und Ohnmacht, Hoffnung und Glück. Beide sind Außenseiter, die dem Leistungsdruck nicht standhalten, die allein in der Verweigerung aktiv werden.
Aus der Erfahrung, dass Zuneigung in Nahrung verpackt, Trauer im Lachen verborgen werden kann und Freundschaften möglich sind, stärken sie sich für einen endgültigen Abschied und einen Anfang. 
Milena Michiko Flašar macht eine Parkbank zur Bühne, zu einem huis clos unter freiem Himmel. Die Bank befindet sich in Japan und könnte doch ebenso gut anderswo in der westlichen Welt stehen. Dieser Roman stellt der Angst vor allem, was aus der Norm fällt, die Möglichkeit von Nähe entgegen – sowie die anarchische Kraft der Verweigerung.



 
Milena Michiko Flasar, geboren 1980 in St. Pölten, hat in Wien und Berlin Komparatistik, Germanistik und Romanistik studiert. Sie ist die Tochter einer japanischen Mutter und eines österreichischen Vaters, lebt als Schriftstellerin in Wien und unterrichtet nebenbei Deutsch als Fremdsprache.
Im österreichischen Residenz Verlag sind zwei Bücher von ihr erschienen: "Ich bin" (2008) und "Okaasan - Meine unbekannte Mutter" (2010).
www.milenaflasar.com

Im Gespräch, 13.02.2012 - Milena Michiko Flašar - Ein Beitrag von: Julia Benkert
Stand: 13.02.2012

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 22.03.2012

Milena Michiko Flasar erzählt in "Ich nannte ihn Krawatte" die Geschichte von zwei Menschen, einer jung, einer alt, die mit den Ansprüchen nicht fertig werden, die die Gesellschaft ihnen abverlangt, erfahren wir von der Catharina Koller. Auf einer Parkbank sitzend tauschen sich die beiden über ihr Innerstes aus: der junge Taguchi Hiro will nicht wie sein Vater nur funktionieren, Ohara Tetsu seiner Frau nicht gestehen, dass er seine Arbeit verloren hat. An einer Stelle legt die Autorin einem von ihnen in den Mund, dass er gerne über die allereinfachsten Dinge schreiben würde. Darin erkennt die Rezensentin Michiko Flasars eigene Poetik wieder. Häufig schramme die Autorin in ihren Beschreibungen allerdings etwas zu knapp am Kitsch vorbei. Der Roman scheint Koller dabei aus der Zeit gefallen zu sein - das genaue Gegenteil von Pop-Literatur. Und doch könne er als Parabel für die Widrigkeiten der modernen Kultur dienen, für die Schwierigkeiten des Heranwachsens und des Bestehens in ihr.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.03.2012

Milena Michiko Flasars Roman "Ich nannte ihn Krawatte" hat Christoph Bartmann nicht kalt gelassen. So unspektakulär das Buch über einen Büroangestellten mit Krawatte und einen Jugendlichen, die sich zufällig auf einer Parkbank begegnen und von ihrem Leben erzählen, daherkommt, so berührend findet er es. Die Geschichte von "zwei sanften Verweigerern" scheint ihm zärtlich, melancholisch, scheinbar trostlos. Doch in kleinen Akten des Widerstands der beiden entdeckt er etwas Hoffnungsvolles. Zudem zeigt er sich beeindruckt von der "großen sprachlichen Schönheit und Klarheit" des Buchs.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.02.2012

In Milena Michiko Flasars Roman "Ich nannte ihn Krawatte" hat Rezensentin Anja Hirsch nicht nur ein "beklemmendes Kammerstück", sondern auch die sehr berührende Geschichte einer zarten Annäherung gelesen. Die Kritikerin erfährt hier, dass man in Japan Menschen, die aus Angst vor dem Leistungsdruck im Arbeitsleben das elterliche Haus nie verlassen, als "Hikikomori" bezeichnet, während ein typischer Anzug- und Krawattenträger schlicht "Salaryman" genannt wird. In ihrer kleinen Geschichte über die vorsichtige Begegnung zweier solcher Menschen, die in langen Monologen Einblick in ihre traurigen Lebensgeschichten gewähren, beweise die erst 32-jährige Autorin Talent zu ganz eigenen, ausdrucksstarken Bildern, lobt die Kritikerin. Und so schaut sie gern über den ein oder anderen "Anfängerfehler", etwa allzu phrasenhafte Begriffe oder "Lebensrezepte" hinweg.



Glück und Trauer unweigerlich verbunden

 Milena Michiko Flašar hat im Vergleich zu ihrem letzten Roman "Okaasan", der von ihrer japanischen Mutter handelte und in zwei dramatisch ungleiche Teile zerfiel, einen großen Schritt gemacht. Den Erleuchtungsschnickschnack von dort hat sie sich nun klugerweise verkniffen, das neue Buch hat nichts Belehrendes mehr, obwohl wir immer noch etwas lernen können (und sollen). Sie ruht weiterhin in sich selbst, aber nun eben wahrer und unaufdringlicher. Die Erzählung dieser beiden am Leben verzweifelten Menschen ist auch empfehlenswert, weil wir diskret aufgefordert werden, wieder richtig hinzuschauen und hinzuhören (was nämlich niemandem schaden würde), vor allem aber, weil sie aus einem Guss und stilistisch schlicht und ansehnlich ist und weil sie zwischen Vorstellung, Idee und Wirklichkeit immer die Waage hält. dradio - Besprochen von Peter Urban-Halle




Bücher von Milena Michiko Flasar bei Lillemors:


Flasar, Milena Michiko: Okaasan. Meine unbekannte Mutter

Cover: Okaasan
Residenz Verlag, St. Pölten - Salzburg 2010, ISBN 3701715335, Gebunden, 128 Seiten, 17,90 EUR
Franziskas Mutter liegt im Sterben. Es ist ein langsamer Prozess, der sich über die erste Verstörung, das erste Vergessen, den ersten Realitätsverlust vollzieht. Momente,
die Franziska irritieren, da sie das Bild ihrer Mutter, einer von Disziplin und Kontrolle
geleiteten japanischen Emigrantin, vollends zu verwischen drohen. ....



 Milena Michiko Flasar - Ich Bin

 

 Residenz Verlag, St. Pölten - Salzburg 2008, 16,90 EUR
Der Geliebte, der Bruder, der Freund – drei intensive Beziehungen, drei Abschiede. Abschiede, die Befreiung und zugleich Neubeginn bedeuten.





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