27 Juni 2012

Lesen macht klug und schoen 699 - Magda Szabó - Hinter der Tür

Konfrontation zweier Welten - Ein ungleiches und doch ebenbürtiges Paar - Budapest in den 60er-Jahren:
Magda Szabó - Hinter der Tür
Roman





















suhrkamp taschenbuch 4289
ISBN: 978-3-518-46289-8
8,95 Euro
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Mehr als zwanzig Jahre hat Emerenc den Haushalt des Budapester Schriftstellerpaars versorgt. Ihre „Herrschaft“ hatte sie fest im Griff. Es gefiel ihr, wenn sie gebraucht wurde. Sie selbst aber blieb unnahbar. 
Doch wem sie diente, dem erwies sie unzählige Liebesdienste, so auch der Schriftstellerin, zu der sie allmählich eine fast innige Beziehung entwickelt. Dann erkrankt Emerenc. 
Sie stirbt in dem Glauben, daß ihre Herrin sie nie geliebt hat. Sonst hätte sie nicht zugelassen, dass man in ihre verschlossene Wohnung eindringt und sie ins Krankenhaus bringt. Seither wird die Schriftstellerin von einem immer wiederkehrenden Traum heimgesucht: sie steht vor einer verschlossenen Tür, zu der sie den Schlüssel zu haben glaubt. 
Doch wie sehr sie sich auch bemüht: sie bekommt die Tür nicht auf. 
Aus dem Ungarischen von Hans-Henning Paetzke


'Hinter der Tür' in der Regie von István Szabó mit Helen Mirren (Emerenc) und Martina Gedeck (die Schriftstellerin) kommt am 05.04.2012 ins Kino.






Magda Szabó, geboren 1917 in Debrecen, starb 2007 in Kerepes bei Godollo. Sie ist eine der wichtigsten ungarischen Schriftstellerinnen. Ihr Roman Hinter der Tür wurde in 36 Sprachen übersetzt.
Magda Szabó wurde am 5. Oktober 1917 im ungarischen Debrecen geboren. Sie absolvierte ein Lehramtsstudium der klassischen Philologie und Literatur, ab 1940 unterichtete sie an den calvinistischen Mädchenschulen in Debrecen und Hódmezvásárhely. 
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 war Magda Szabó im Ministerium für Religions- und Unterrichtsfragen beschäftigt. 1947 veröffentlichte sie ihren ersten Gedichtband Lamm (Bárány); im gleichen Jahr heiratete sie den Schriftsteller und Übersetzer Tibor Szobotka. 
1949, im Jahr der kommunistischen Machtübernahme, folgte der Band Zurück zu Menschen (Vissza az emberig), der mit dem Baumgarten-Preis ausgezeichnet wurde – noch am Tag der Preisverleihung wurde ihr dieser Preis aus politischen Gründen wieder entzogen.
Im selben Jahr wurde Magda Szabó aus dem Staatsdienst im Ministerium entlassen und ebenso wie ihr Ehemann mit einem Publikationsverbot belegt, das während der stalinistischen Regierungszeit in Ungarn bis 1956 andauerte. In dieser Zeit unterrichtete sie an einer Grundschule und arbeitete an ihrem ersten Roman Fresko (Freskó), der nach seiner Veröffentlichung 1958 gleich zu einem großen Erfolg wurde. Auch mit den Folgewerken, u.a. 
Die andere Esther (Az őz, 1959), Das Schlachtfest (Disznótor, 1960) und Abigail (Abigél, 1970) gewann Magda Szabó weiter literarisches Renommee im In- und Ausland. 1978 erhielt sie den Kossuth-Preis, die höchste Auszeichnung Ungarns für Künstler; 1993 wurde sie in die Europäische Akademie der Wissenschaften berufen und mit der Ehrendoktorwürde der Universität Debrecen ausgezeichnet. 
Seit den 60er Jahren widmete sie sich dem Schreiben großer Romane. Zu ihrem Werk gehören auch Schauspiele und Essays. Die vielfach preisgekrönte Autorin, deren Werk in 42 Sprachen übersetzt wurde, feierte besonders viele Erfolge in Frankreich. Die französische Übersetzung ihres Romans «Die Tür» brachte ihr 2003 den angesehenen «Prix Femina étranger» für ausländische Literatur ein. 1993 wurde Magda Szabó zum Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften ernannt. (dpa)





Zum Filmstart von »Hinter der Tür« 05.04.2012:
Am 5. April startete bundesweit die von István Szabo inszenierte Verfilmung von Magda Szabós Roman "Hinter der Tür". 
Die bis zur Verschrobenheit eigensinnige Emerenc wird von Oscar-Gewinnerin Helen Mirren gespielt, die sich um den Haushalt der Schriftstellerin Magda, verkörpert von Martina Gedeck, kümmert. 
Zwischen den beiden so ungleichen Frauen entwickelt sich eine eigentümliche Nähe, die allerdings eine Grenze kennt: Emerencs eigenes Zuhause. 
Was verbirgt sich hinter der stets verschlossenen Tür?




Der Film konzentriert sich auf Emerenc, die im Schatten einer Schuld lebt, vor der sie sich versteckt, unter Kopftuch und Kittel, sie ist eine hart wirkende, innerlich brodelnde, furchterregende Person. Was man von Emerenc sieht, ist das Gesicht. Ausdruck: wie verstummt. Mimik: minimal. Welche Herausforderung! Für eine Schauspielerin wie Mirren, die alles geben muss, um dieser Gestalt Kontur zu geben. Unter der Regieanweisung: nicht spielen!http://www.zeit.de/2012/15/Helen-Mirren


Zitat Helen Mirren: Nein. Ich habe es immer gesagt: Macht euch keine Sorgen über Rollen für Frauen. Macht euch Sorgen über die Rolle der Frau im wahren Leben. Wenn wir endlich sehen, dass Frauen dort die großen Rollen spielen, dann wird es auch im Theater so sein, denn die Kunst spiegelt das Leben.

Der Film - Handlung:
Nach dem vielfach preisgekrönten Roman Hinter der Tür der ungarischen Autorin Magda Szabó erzählt Oscar-Preisträger István Szabó die Geschichte zweier charismatischer Frauen im Ungarn der 60er Jahre. Beide sind durch ihre Herkunft und Lebensumstände weit entfernt von der Welt der anderen: Hier die hochgebildete Schriftstellerin Magda, der nach Jahren der Zensur endlich Erfolg zuteil wird; dort die rätselhafte Haushälterin Emerenc mit ihrem eigensinnigen Blick auf das Leben und die Menschen, mit ihrer seltsamen Macht über Menschen und Tiere. „Es gibt zwei Arten von Menschen auf der Welt“, sagt Emerenc. „Die, die fegen, und die, die fegen lassen. Jesus hat gefegt.“

Eine merkwürdige Faszination geht von Emerenc aus, ihrer unbeugsamen Strenge, dem schroffen Wechsel von Rauheit und zärtlicher Fürsorge, dem eigenwilligen Verständnis von Gut und Böse, ihrem Wissen von den Geheimnissen der Natur. Bald schon ist Emerenc aus dem Leben Magdas und ihres Ehemanns Tibor nicht mehr wegzudenken – und die Nachbarn wissen zu berichten, was Emerenc selbst nie zugeben würde: dass auch Magda ihr mehr und mehr ans Herz gewachsen ist. http://www.hinter-der-tuer.de/synopsis.php


Eine Grenze bleibt, für Magda wie für alle anderen: Noch niemals hat Emerenc jemanden in ihr Haus gelassen. Die Tür bleibt verschlossen, sichtbares Zeichen der Mauern, mit denen Emerenc ihr Leben, ihre Geschichte umgeben hat. Sind die Geschichten wahr, die sie erzählt, vom jüdischen Kind, das sie versteckt hat; von den Zwillingen, die vom Blitz erschlagen wurden; von der Mutter, die sich im Brunnen ertränkt hat? Hinter der Tür, scheint es,
liegen Schmerz und Einsamkeit.
Während Magdas literarischer Erfolg wächst, zieht sich Emerenc mehr und mehr in ihre geheimnisvolle Welt zurück. Sie ist alt geworden. Als sie ihr Haus schließlich gar nicht mehr verlässt, gerät die Nachbarschaft in helle Aufregung. Nur Magda scheint in der Lage, den entscheidenden Schritt über die Schwelle zu tun. Ihr allein vertraut Emerenc. Doch worin besteht dieses Vertrauen? Die Tür zu öffnen – oder das Geheimnis von Emerenc zu schützen? Die tiefe, ungewöhnliche Beziehung, die sich über die Jahre zwischen den beiden so ungleichen Frauen entwickelt hat, muss sich an der Frage von Leben und Tod beweisen.

Der Roman der ungarischen Schriftstellerin Magda Szabó (nicht mit dem Regisseur verwandt!), die 1917 geboren wurde und Die Tür mit 70 Jahren schrieb, ist ein Roman über das Europa des 20. Jahrhunderts. In der Figur der so eigensinnigen und rätselhaften Emerenc spiegelt sich die Geschichte des Landes, die sich bei der alten Frau in einem fast starrsinnigen Überlebenswillen ausdrückt. Schauplatz ist vor allem die kleine Straße in Budapest während der 60er Jahre, in der die beiden Frauen Tür an Tür leben.
Es ist ein Mikrokosmos in der die Jahreszeiten kommen und gehen, man sich annährt, entfremdet – und verliert. Christine Deggau, kulturradio
http://www.kulturradio.de/rezensionen/film/20120/hinter_der_tuer.html



Der Leser verfolgt die Geschichte der Beziehung der beiden Frauen aus der Perspektive von Magda und teilt somit ihre Gefühle und Ansichten. Emerenc hat deswegen lange auf mein Verständnis für ihr Verhalten gewartet, ich konnte mit dem, doch so gutem, Roman nicht warm werden. Als es aber auf ein Mal passierte, wurde ich, wie schon bei den anderen Büchern von Szabó, sprachlos. Die psychologische Tiefe und die Entwicklung der Beziehung zwischen den beiden Protagonisten machen aus dem Roman ein Meisterstück.
Ich habe dieses Jahr sieben Romane von Szabó gelesen - dieser gehört sicherlich zu den besten, mich haben jedoch "Die Elemente" und "Das Schlachtfest" mehr beeindruckt.
http://lesehunger.blogspot.de/2011/11/hinter-der-tur-magda-szabo.html


Bisweilen üben kauzige oder gar verschrobene Menschen eine ganz besondere Wirkung auf uns aus, die schwerlich erklärbar scheint. Mit scharfer Zunge und einer tiefliegenden Weisheit – zumindest manchmal schaffen sie es auf recht unerwartete Weise, uns in unseren Grundfesten zu erschüttern und längst vergessene oder gar niemals gestellte Fragen aufzuwerfen, die uns zweifelnd an uns selbst zurück lassen. Ein solcher Mensch ist Emerenc, die von István Szabó nach dem Roman Hinter der Tür der ungarischen Autorin Magda Szabó (nicht mit dem Regisseur verwandt ) als filmische Hommage an ebensolche Menschen als auch an das schriftstellerische Werk in Szene gesetzt wurde. Dabei nähert sich Szabó in ganz besonders intimen Aufnahmen der wahren Begebenheit zwischen Magda (Martina Gedeck) und ihrer Hausangestellten Emerenc (Helen Mirren) und ihrer seltsam tiefen Freundschaft, die weit über den Tod hinfort dauert. http://www.culturshock.de/site/kritik_rezension_hinter_der_tuer.374.0.html

Und die Putzfrau fegt die Geschichte zusammen - Es gibt zwei Arten von Menschen: Die, die fegen, und die, die fegen lassen: Im Film "Hinter der Tür" spielt die große Helen Mirren eine mysteriöse Zugehfrau. Ihre seltsamste Figur, sagt sie. Von Dirk Peitz 
Vorher, auf der Pressekonferenz, wurde über Ungarn nur kurz gesprochen, das Ungarn des Viktor Orbán, der die Presse- und Meinungsfreiheit einschränken ließ und fast nebenbei auch das alte System der staatlichen Filmförderung zerstört und durch ein neues nach seinem Gusto ersetzt hat. "Hinter der Tür" hätte deshalb fast nicht produziert werden können, doch es fand sich noch Geld, deutsches zum Beispiel.
István Szabó, der auch bei der Konferenz saß, hat zu Ungarn nichts gesagt. Und ob "Hinter der Tür" am Ende auch eine Selbstbefragung sein könnte und Emerenc so etwas wie ein Selbstporträt: Das wurde er nicht gefragt. Vielleicht aus Höflichkeit. Vielleicht aus Respekt. Vielleicht aus Furcht vor der Antwort. http://www.welt.de/kultur/kino/article106147150/Und-die-Putzfrau-fegt-die-Geschichte-zusammen.html


Konfrontation zweier Welten - "Hinter der Tür" von Christiane Peitz
Ein ungleiches und doch ebenbürtiges Paar - Budapest in den 60er-Jahren: Die ungarische Schriftstellerin Magda, eine Intellektuelle aus bürgerlichem Hause, zieht mit ihrem Mann in eine herrschaftliche Villa ein. Sie braucht eine Dienstmagd und fragt Emerenc, die im Musiker-Haushalt auf der anderen Straßenseite für saubere Wäsche sorgt.
Emerenc ist eigensinnig, kratzbürstig, halsstarrig, sie lässt niemanden in ihre Hütte, nennt Magdas Mann nur "den Gebieter", staffiert die Villa mit geschmacklosen Nippes-Figuren aus, gibt nichts von sich preis. Vor allem nicht ihre Kindheitserinnerungen an die Zeit der deutschen Besatzung, eine Chronik traumatischer Verluste, wie der Zuschauer in Rückblenden erfährt. Tag für Tag fegt Emerenc den Bürgersteig, ein unerschütterliches Ritual, bei dem sie auch ihre Herrin brüskiert. Menschen, die aneinander schuldig werden, davon erzählt István Szabó in fast all seinen Filmen. Ein billiges Happy-End wäre auch Verrat an der Unbeugsamkeit seiner Heldinnen. http://www.ndr.de/kultur/kino_und_film/hinterdertuer105.html

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