18 Juni 2012

Margarete Mitscherlich gestorben - Die Radikalität des Alters

Margarete Mitscherlich ist im Alter von 95 Jahren gestorben:


"Ich heiße Margarete Mitscherlich, bin 92 Jahre alt und halte es für eine Zumutung, dass Menschen nicht nur alt werden, sondern auch noch sterben müssen." 

Margarete Mitscherlich - Die Radikalität des Alters
Einsichten einer Psychoanalytikerin
Sachbuch


















S. Fischer Verlag
Taschenbuch
ISBN: 978-3-596-18956-4
 € 9,99
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Mit über neunzig Jahren wendet sich Margarete Mitscherlich, die Grande Dame der deutschen Psychoanalyse, die unermüdliche Aufklärerin, mit großer Entschiedenheit nochmals den großen Fragen ihres Lebens zu:
Dem Vergessen und Verdrängen und der Unfähigkeit der Deutschen zu trauern; der Emanzipation im weitesten Sinne, also der Befreiung von Denkeinschränkungen, Vorurteilen, Ideologien, aber auch im engeren Sinne der Emanzipation der Frau und ihrer Stellung in der Gesellschaft; den Geschlechterrollen, männlichen und weiblichen Werten.


Zugleich reflektiert Margarete Mitscherlich das Älter- und Altwerden und beschreibt mit großer Offenheit, wie es ihre Sicht auf die Dinge prägt. 
In einem sehr persönlichen Stück beschreibt sie schließlich mit dem geschulten Blick der Psychoanalytikerin ihr Leben und Lebenswerk. Ein bewegendes Zeugnis lebendiger Zeitgeschichte.





Margarete Mitscherlich-Nielsen

Margarete Mitscherlich -Nielsen, geb. 1917 in Dänemark, war Psychoanalytikerin, Medizinerin und Autorin zahlreicher Bücher.
Die Tochter eines dänischen Arztes und einer deutschen Lehrerin studierte Medizin und Literatur in München und Heidelberg und wurde 1950 in Tübingen zum Dr. med. promoviert. 1947 traf sie in der Schweiz den Arzt und Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich (1908–1982), den sie 1955 heiratete.
Gemeinsam bemühten sie sich nach dem Krieg um die Wiederbelebung der Psychoanalyse in Deutschland. 1960 war sie Mitbegründerin des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt, wo sie fortan vorrangig arbeitete, und fungierte viele Jahre als Herausgeberin der Zeitschrift ›Psyche‹. Gemeinsam mit ihrem Mann veröffentlichte Margarete Mitscherlich 1967 das bahnbrechende Buch ›Die Unfähigkeit zu trauern‹. Es folgten u.a. ›Die friedfertige Frau‹ (1985), ›Die Zukunft ist weiblich‹ (1987) und ›Über die Mühsal der Emanzipation‹ (1990). Margarete Mitscherlich ist 2012 in Frankfurt am Main verstorben.


Alice Schwarzer pflegte eine gute Freundschaft mit Margarete Mitscherlich:
13.06.2012 Abschied von Margarete Mitscherlich

 
Am Morgen des 12. Juni ist Margarete Mitscherlich gestorben. Im Kreis ihrer geliebten Familie, bis hin zu den UrenkelInnen. In wenigen Wochen wäre sie 95 geworden, dennoch starb sie überraschend. Einen Altersschock hatte sie mit 90 bekommen und plötzlich häufig vom Tod gesprochen („Jeden Abend, wenn ich ins Bett gehe, bin ich darauf gefasst, morgens nicht mehr aufzuwachen“). Ihr 2010 erschienenes Buch „Die Radikalität des Alters“ schien eine Bilanz zu sein. Schien. Denn kaum war das Buch erschienen, wurde sie überschwemmt mit Interview-Anfragen. Man hatte begriffen: Die berühmte Analytikerin lebt nicht nur, sie ist noch hochlebendig. Also schmiedete auch Margarete wieder Pläne. Sie plante ein nächstes Buch, darin sollte es um das Thema Liebe gehen. Ein Thema, von dem sie wahrlich viel verstand. Darum habe ich die Freundin für EMMA zur Liebe interviewt. Das Gespräch wird in der nächsten Ausgabe erscheinen.






Margarete Mitscherlich-Nielsen - Die Radikalität des Alters 
Starrsinn oder Furchtlosigkeit? Vortrag am 19. Oktober 2006 im Rahmen der Herbsttagung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung »Radikalität des Alters«.



Zitat MM: "In meinem Traum lernen die Menschen nachzudenken, zuzuhören, sich in andere hineinzufühlen. Ich träume, dass wir lernen zu erkennen, warum jemand unser Freund oder Feind ist; dass wir nicht gleich um uns schlagen, wenn wir narzisstisch gekränkt werden."
Aitat MM: "pornografie und die ihr entsprechenden einrichtungen/filme können zu recht als die sexuelle form des hasses bezeichnet werden. sie haben mit liebe, eros und zärtlichkeit nichts zu tun." (Margarete Mitscherlich, psychoanalytikerin, autorin)
Zitat MM: "Ich heiße Margarete Mitscherlich, bin 92 Jahre alt und halte es für eine Zumutung, dass Menschen nicht nur alt werden, sondern auch noch sterben müssen."


Zitat MM: "Oh ich habe keine Botschaft. Ich hoffe, dass ich einige Denkanregungen geben kann."Ein großes Lesevergnügen = Denkanregungen, klar! Es ist vor allem aber kurzweilig und ein großes Lesevergnügen, wenn jemand so gelassen und radikal ehrlich mit sich umgeht.



Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 22.12.2010
Rezensent Klaus Harpprecht zieht elegant den Hut vor Margarete Mitscherlich - "und schwenkt ihn hoch durch die Lüfte" -, um ihr dann sanft zu widersprechen. Mitscherlich deutet Trauerarbeit als Erinnerungsarbeit: ein ständiges Wiederholen der Erinnerung, die sich dabei verändert. So weit, so gut. Aber ihre These von der Unfähigkeit der Deutschen zur Trauerarbeit, die sie ihnen auch in ihrem neuen Buch bescheinigt, lehnt er ab. Gewiss hätten die Deutschen zwanzig Jahre gebraucht, bis sie auch nur anfingen, sich mit dem Holocaust auseinanderzusetzen. Doch seitdem, so Harpprecht, hat sich jede neue Generation der Erforschung und Vergegenwärtigung dieser Epoche gewidmet. Unfähigkeit zu Trauern kann er darin nicht erkennen, im Gegenteil.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 14.10.2010
Die Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlichs lässt in diesem Band noch einmal die "großen Themen" ihres bewegten intellektuellen Lebens "Revue passieren", und Rezensentin Angela Gutzeit hat darin viel Interessantes gefunden. Aber sie hat auch einiges vermisst. Zum Beispiel, dass die Autorin auf die "zum Teil äußerst kritischen Betrachtungen" eingeht, die anlässlich des hundertsten Geburtstags ihres Mannes Alexander Mitscherlichs formuliert wurden. Oder dass sie zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus Stellung nimmt - ihrer eigenen und auch der durch nachfolgende Generationen. In diesen Punkten bewegt die Autorin sich "im Bereich des Allgemeinen, um nicht zu sagen Widersprüchlichen", stellt Gutzeit unzufrieden fest. Die Stärke dieser Memoiren liegen ihrer Meinung nach dann eher in Mitscherlichs "Ausführungen zu Emanzipation". Da sei sie spürbar auf "ureigenem Terrain."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.10.2010
Das den vorliegenden Band beschließende, erstaunlich lockere und unglaublich "ehrliche" Interview von Alice Schwarzer mit Margarete Mitscherlich ist in den Augen Ina Hartwigs zur Abrundung unbedingt nötig, weil es zeige, dass die Psychoanalytikerin wesentlich weniger nüchtern ist, als sie sich ansonsten liest. Der Band versammelt Aufsätze und Reden der letzten 15 Jahre und umkreist die Hauptthemen der zum Zeitpunkt der Buchentstehung 92 Jahre alten Autorin, wie die Rezensentin betont. Herausgekommen ist dabei so etwas wie ein "berührendes" Lebensresümee, so Hartwig, die Überzeugendes über die "Schuldgefühle der Frauen", Vages über "die Weiblichkeit" und sehr Mutiges über NS-Ärzte bei Mitscherlich gefunden hat.


Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.10.2010
Angetan zeigt sich Rezensentin Andrea Roedig von Margarete Mitscherlichs "Einsichten einer Psychoanalytikerin". Sie charakterisiert die Autorin als "sanfte Radikale", die immer wieder auf den Nationalsozialismus und ihr großes Thema Trauer und Emanzipation zurückkommt. Beeindruckend findet sie, wie Mitcherlich das Begriffsgebäude der Psychoanalyse nach feministischen Kriterien umbaut, berührend, wie sie das Freud'sche "Durcharbeiten" auf ihre eigene Biografie anwendet. Manches bleibt für sie im "Ungefähren". Doch bleibt für sie der Eindruck, Mitscherlich ruhe in den Grundfesten ihrer Überzeugungen, die "weise und unaufgeregt" seien.

»so vital und so klar, so temperamentvoll und so entschieden!«
Klaus Harpprecht, Die Zeit, 22.12.2010

»Margarete Mitscherlich ist alt und gescheit und kein bisschen allwissend geworden.«
Gabriele von Arnim, Deutschlandradio Kultur, 30.11.2010

»Es ist unterhaltsam und anregend, wenn sie auf ihren Streifzügen durch die Geschichte der Psychoanalyse u.a. der Frage nachgeht, ob diese Wissenschaft nicht eigentliche eine weibliche sei oder wenn sie die Grenzen Sigmund Freuds auslotet, für den die Frau ein ›dark continent‹ war.«
Angela Gutzeit, Frankfurter Rundschau, 14.10.2010

»das berührende Resümee eines Lebens, in dem das Denken stets eng mit der eigenen Biographie verwoben war.«
Ina Hartwig, Süddeutsche Zeitung, 5.10.2010

»Sie ist eine sanfte Radikale. Ihre Radikalität liegt in der unbeirrbaren Beharrlichkeit, mit der sie immer wieder zu ihren grossen Themen zurückkehrt: Emanzipation und Trauer.«
Andrea Roedig, Neue Zürcher Zeitung, 4.10.2010

»kurzweilig und ein großes Lesevergnügen, wenn jemand so gelassen und radikal ehrlich mit sich umgeht.«
Markus Schmitz, Hauptsache Kultur! - HR-Fernsehen, 9.9.2010

Das Buch haben wir bereits in einer facebook notiz vorgestellt: hier der link zu:


Lesen macht klug und schoen 155 - Margarete Mitscherlich - Die Radikalität des Alters 


weitere Literatur der Autorin bei Lillemors:


Mitscherlich Margarete
Autobiografie und Lebenswerk
Wiener Vorlesung Band 118
Mitscherlich analysiert die Bedeutung ihrer deutsch-dänischen Herkunft sowie den Einfluss der NS-Diktatur auf ihr privates...
Picus
7,90 €
Held, Monika
Mitscherlich Margarete
Tsainis, Kathrin
Eine unbeugsame Frau
Margarete 
Mitscherlich im Gespräch mit Kathrin Tsainis und Monika Held
Margarete Mitscherlich genießt als bekannteste Psychoanalytikerin Deutschlands, die noch heute für Emanzipation und Freiheit...
Diana
19,95 €

Artikelsammlung anlaesslich des Todes von Margarete Mitscherlich:


Margarete Mitscherlich gestorben - Frankfurt/Main (dpa) - Sie war die Grande Dame der Psychoanalyse, Vorkämpferin des Feminismus und bis zuletzt geistig junge Analytikerin der Gegenwart: Margarete Mitscherlich ist tot......Über sich selbst sagte sie einmal mit einem Augenzwinkern: «Meine Thesen stimmen immer irgendwo auch, sind aber mit einer großen Lust an der Provokation verbunden.» die Zeit

Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich gestorben - Aktiv in der Frauenbewegung:
Margarete Mitscherlich wandte sich später der Frauenbewegung zu. In ihrem bedeutendsten eigenen Buch, "Die friedfertige Frau" (1985), legte sie dar, dass Frauen nicht von Natur aus weniger aggressiv sind, sondern ihr vermeintlich ausgleichendes Wesen nur erlernt haben.
Noch im Herbst 2010 hatte die Medizinerin ein Buch mit dem Titel "Die Radikalität des Alters" geschrieben. Sie konnte nicht mehr in ihr geliebtes Ferienhaus am Lago Maggiore reisen und benötigte ein Rollwägelchen.
Verbitterung blieb ihr aber immer ein Fremdwort. Mit ihrem Leben sei sie rückblickend "ganz zufrieden", sagte Mitscherlich zu ihrem 90. Geburtstag.
Bis zuletzt hielt sie noch gelegentlich psychoanalytische Sitzungen ab, las zwei Tageszeitungen und den "Spiegel" und schrieb ganz selbstverständlich E-Mails. - die Welt.de


Fünfundvierzig Jahre lang war Margarete Mitscherlich-Nielsen Bürgerin von Frankfurt. 1967, im Jahr ihres Zuzugs, publizierte sie gemeinsam mit ihrem Mann, Alexander Mitscherlich, den die aus dem dänischen Graasten stammende Tochter eines dänischen Landarztes und einer deutschen Schulrektorin 1947 kennengelernt und 1955 geheiratet hatte, das Buch, dessen Titel zum geflügelten Wort wurde: „Die Unfähigkeit zu trauern“. Darin beschrieben sie die Deutschen nach 1945 als ein Kollektiv, das, aus einer rauschhaften Führerverehrung erwachend, die Entwertung seines Selbstbildes nur durch Verleugnung des Geschehenen habe ertragen können. Der Untergang dessen, was soeben noch glühend verehrt worden war, konnte nicht betrauert werden. Die Opfer wollte man nicht betrauern. Eine auffällige Gefühlsstarre wurde an den Deutschen diagnostiziert, denen das Wirtschaftswunder gerade recht gekommen sei, um sich der Erinnerung zu entziehen. - faz.de


Bis zuletzt hatte sie in einer Privatpraxis Patienten empfangen - nun ist die Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich im Alter von 94 Jahren gestorben. Sie galt als Kämpferin für Frauenrechte und eine der Vordenkerinnen der Studentenbewegung.Mit ihrem Leben sei sie rückblickend "ganz zufrieden", sagte Mitscherlich zu ihrem 90. Geburtstag im Jahr 2007. Bis zuletzt hielt Mitscherlich noch gelegentlich psychoanalytische Sitzungen in einer Frankfurter Privatpraxis ab.  usp/dpa/dapd - der spiegel.de



Sie war die Grande Dame der Psychoanalyse, Vorkämpferin des Feminismus und bis zuletzt geistig junge Analytikerin der Gegenwart: Margarete Mitscherlich ist tot....
Margarete Mitscherlich: Grande Dame der Psychoanalyse im Alter von 94 Jahren gestorben - weiter lesen auf FOCUS Online



Margarete Mitscherlich - Das linke Gewissen - 17.06.2012 00:00 Uhr von Hans-Jürgen Wirth
Alle drei stehen für die einflussreiche Rolle der Psychoanalyse in der deutschen Öffentlichkeit: Margarete und Alexander Mitscherlich ("Die Unfähigkeit zu trauern") sowie Horst-Eberhard Richter ("Patient Familie"). Sie halfen der 68er-Generation bei der Auseinandersetzung mit ihren Eltern und begleiteten die politischen Bewegungen der letzten Jahrzehnte. - der tagesspiegel


Die Frau, die den Deutschen wieder Mut machte - Aggressivität, Trauer und die Emanzipation waren die Themen der Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich. Sie setzte sich für ein Umdenken der Nachkriegsgeneration ein. Ein Nachruf. Von Sven Felix Kellerhoff - die Welt.de




Im Gespräch mit NDR Kultur verriet Margarete Mitscherlich: "Wenn ich Nachts beim Schlafen sterben würde, wäre das sehr schön".

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