Andreas Fanizadeh, die tageszeitung
Roman
WAT [641]. 2010
ISBN 978-3-8031-2641-2
12,90 €
Aus dem argentinischen Spanisch von Rike Bolte :Die wahren Begebenheiten, auf denen Puenzos neuer Roman basiert, haben ganz Argentinien in Atem gehalten: Als Jacinta Pichimahuida, die Kultfigur aus dem Kinderprogramm, unter mysteriösen Umständen ums Leben kommt, brechen Welten zusammen …
Zu
Beginn scheint es noch so, als hätten zwei sich gefunden: die lange,
spindeldürre Twiggy und der nicht ganz so große Pepino, die sich Hals
über Kopf ineinander verlieben. Doch schon bald wird diese Liebe bedroht
durch die Gespenster der Vergangenheit. Während Twiggy gegen
Psychopharmaka und ihre steinreichen Eltern ankämpft, sieht sich Pepino
dem Drehbuchschreiber Santa Cruz ausgeliefert, der ihn schon sein ganzes
Leben lang verfolgt: Als kleiner Junge war Pepino als Statist in Santa
Cruz' Fernsehserie Fräulein Lehrerin Jacinta Pichimahuida gewesen, gemobbt von erbarmungslosen Kinderstars, die die Fernsehwelt für die Wirklichkeit hielten.
Als sich dann im Buenos Aires der Gegenwart eine Reihe mysteriöser Todes- und Raubüberfälle ereignet, in die die ehemaligen Kinderstars – als Erwachsene allesamt gescheiterte Existenzen – involviert sind, will sich Pepino endgültig aus den Fängen Santa Cruz' befreien und Twiggy wiederfinden.
Als sich dann im Buenos Aires der Gegenwart eine Reihe mysteriöser Todes- und Raubüberfälle ereignet, in die die ehemaligen Kinderstars – als Erwachsene allesamt gescheiterte Existenzen – involviert sind, will sich Pepino endgültig aus den Fängen Santa Cruz' befreien und Twiggy wiederfinden.
Lucía Puenzo wurde
1976 in Buenos Aires geboren. Zur Zeit arbeitet sie an ihrem vierten
Roman. Ihr Debüt als Regisseurin gab sie 2007 mit »XXY«, der beim
Filmfestival in Cannes mit dem Grand Prix de la Semaine de la Critique
und in Madrid mit dem Goya für den besten nichtspanischen Film
ausgezeichnet wurde. Ihre eigene Verfilmung ihres Erstlingsromans »Das
Fischkind« wurde 2009 auf der Berlinale uraufgeführt.
Auch der im Wagenbach Verlag veröffentlichte Roman „Der Fluch der Jacinta Pichimahuida“ von Lucía
Puenzo greift auf die jüngere Vergangenheit zurück. Jacinta Pichimahuida
ist die Lehrerin in der in Argentinien berühmten Kinderserie „Fräulein
Lehrerin“, die seit 1974 existiert. 1983 startete die zweite Staffel,
die im Mittelpunkt des Romans steht. Einige der Darsteller sind im
Erwachsenenalter auf mysteriöse Weise umgekommen. Ähnlich dem „Fluch“,
der über den Mitwirkenden des Horrorfilms „Poltergeist“ lag. Puenzo fügt
zu dieser realen Geschichte mit dem Statisten Pepito eine fiktionale
Figur hinzu. Als der 9-jährige Pepito sich am Set weigert, eine Szene zu
spielen, wird er zum autoritären Drehbuchautor Santa Cruz zitiert.
Statt ihn aus der Serie zu nehmen, bietet Santa Cruz ihm an, das
Drehbuch zu seinem Leben zu schreiben - Pepito willigt ein und lernt nun
täglich seinen Part kennen. Alles klappt, bis die Mutter Pepitos
bemerkt, dass er nach einem Skript lebt - es kommt zum Eklat: Santa Cruz
schreibt weder für die Serie weiter noch für Pepito. 20 Jahre später
glaubt der nun erwachsene Pepito jedoch, Santa Cruz gesehen zu haben und
reißt ihm einige Seiten eines Skripts aus der Hand. Wie versessen
glaubt er, dass alles, was er erlebt, von Santa Cruz so „erschrieben“
wurde: Die mysteriösen Todesfälle der ehemaligen Darsteller, die
Zusammenkunft der noch Verbliebenen und eine Liebesgeschichte mit
Twiggy.Literaturland Argentinien | Lucía Puenzo
Die
junge Schriftstellerin und Cineastin aus Argentinien verrät art-tv in
diesem Interview, wie sie das Schreiben und das Filmemachen unter einen
Hut bringt.
Dieses Videoporträt wurde in Zusammenarbeit mit art-tv Argentina
realisiert. Aus aktuellem Anlass: Argentinien ist Gastland an der Frankfurter Buchmesse (6. bis 10. Oktober 2010) und an den Literaturtagen Zofingen (15. bis 17. Oktober 2010).http://www.art-tv.ch/6403-0-Literaturland-Argentinien-Luca-Puenzo-.html
Die Tochter des bekannten Regisseurs Luis Puenzo (er drehte preisgekrönte Filme wie «La peste», 1992, oder «Historia oficial», 1985 mit einem Oscar ausgezeichnet) wurde 1976 in Buenos Aires geboren.
Sie schrieb Drehbücher für Fernsehserien und auch für einen Film ihres Vaters: «La puta y la ballena» (2003). Letzteres gab den Ausschlag für ihre Karriere als Filmemacherin. 2007 erfolgte ihr Regiedebüt mit «XXY», der am Filmfestival in Cannes mit dem Grand Prix de la Semaine de la Critique und in Madrid mit dem Goya für den besten nichtspanischen Film ausgezeichnet wurde. Ihr zweiter Langspielfilm, «El niño pez», basiert auf ihrem gleichnamigen 2004 publizierten Roman, den die Kritik mit Begeisterung aufgenommen hat. 2007 folgte ihr nächster Roman, der 2010 ins Deutsche übersetzt wurde: Der Fluch der Jacinta Pichimahuida, der das Schicksal ehemaliger TV-Kinderstars thematisiert. Im Interview mit art-tv erzählt Lucía Puenzo wie sie auf diesen Stoff gestossen ist.
Aus dem Fernseher gefallen
Lucía Puenzo: "Der Fluch der Jacinta Pichimahuida", Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2010, 285 Seiten -Rund zwanzig Jahre war Pepino Star einer argentinischen Kinderserie. Zu einem normalen Leben hat er nie zurückgefunden. Vielmehr ist er besessen von dem Gedanken, dass der Drehbuch-schreiber der "daily soap" seine Geschicke weiter fortschreibt. Ein dunkles, überdrehtes Zu-Sich-Kommen beschreibt dieser Roman in grellen Farben, die manchmal - und gewollt - überzeichnen. Es ist das Porträt einer haltlosen Generation, die im manipulativen Mechanismus des Fernsehens gleichsam geboren wurde und danach keinen anderen Bezugspunkt findet. Bunt, aber düster ist dieser Roman.
Podcast: AutorIn: Heike Demmel | Format: MPEG-1 Layer 3 | Dauer: 7:16 Minuten |
Bücher von Lucia Puenzo
Puenzo, Lucia: Das Fischkind. Roman
Klaus Wagenbach Verlag,
Berlin 2009,
ISBN 3803132207,
Gebunden,
157 Seiten, 16,90 EUR
Aus dem Spanischen von Rike Bolte. Ein furchtbar
hässlicher Hund erzählt, wie zwei junge Mädchen aus Liebe zu Mörderinnen
werden. Ein frecher, temporeicher, magischer Roman: Thelma und Louise
auf Argentinisch! ...Im "Fischkind" erzählt der hässliche Serafín - eben ein Hund - eine turbulente Episode aus der Liebesbeziehung von Lala und Lin (genannt die Guayi). Zwar unter einem Dach lebend, unterscheiden sich die beiden jungen Frauen durch ihre geographische und gesellschaftliche Herkunft. Angelehnt an das kulturelle Phänomen Lateinamerikas, das die physische Trennung zwischen Arm und Reich durch "live-in" Hausangestellte aufhebt, beschreibt Puenzo die paradoxe Intimität zwischen Lala und dem paraguayanischen Dienstmädchen Lin.
Im gleichen Haus, im noblen Viertel von Buenos Aires leben außerdem Lalas Vater, ein mit dem Selbstmord kokettierender Schriftsteller der sein mediales Image durch die Marihuana Pflanzen seines Sohnes aufpeppt, und dem Klischee entsprechend mit dem Dienstmädchen Lin schläft. Die esoterische Mutter Sascha, die ihre Pflanzen mit Bachblüten heilt, und schließlich mit ihrem Liebhaber in ein buddhistisches Kloster durchbrennt. Und Lalas verrückter Bruder Pep, der sich mit dealen sein Taschengeld aufbessert und seine Pillen am Erzähler-Hund Serafín ausprobiert.
In diesem Rahmen entwickelt sich die erotische Beziehung des noch-Schulmädchens Lala und der attraktiven Lin. Eingeengt vom familiären Irrsinn träumen die beiden Frauen von einem Leben in Paraguay am mythischen See von Ypacaraí. Durch einen spontanen Mord wird der geplanten, gemeinsamen Flucht ein Strich durch die Rechnung gemacht. Lala flieht nach Paraguay zum See von Ypacaraí und entdeckt dort das magische Fischkind ihrer Geliebten. Lin hingegen landet in einem Frauengefängnis, wo sie als Prostituierte ausgeführt wird.
Der hässliche Hund Serafín verleiht dem (Happy?)Ende eine spielerische, groteske Naivität. Er bewegt sich im gesamten Roman mit einer tierischen Leichtigkeit von einer Liebesgeschichte über literarischen Roadmovie, Thriller bis hin zum Polizei-Drama. Durchzogen von einem Magischen Realismus schwebt das Fischkind irgendwo zwischen Animal Farm und Baise-moi, und ist trotz der wechselnden Genres ein homogenes Werk mit eigener Identität. (Katja Stipinovic)
Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.09.2009
Hingerissen ist Florian Borchmeyer von Lucia Puenzos Romandebüt "Das Fischkind", das die international gefeierte, argentinische Filmemacherin bereits vor zwölf Jahren mit gerade mal 23 Jahren vorlegte, wie er mitteilt. Es handelt sich um die temporeiche Liebesgeschichte zwischen der Tochter aus reichem argentinischen Haus mit der paraguayischen Haushälterin, die, unbekümmert sämtliche Genregrenzen überspringend, zum blutigen Thriller, Fluchtgeschichte und Korruptionskrimi wird, erklärt der Rezensent. Der besondere Clou sei dabei die Erzählerfigur, sie entpuppe sich nämlich als Hund, der selbst ein Auge auf die Hauptfigur geworfen habe, so Borchmeyer amüsiert. Dass die Autorin die homosexuelle Beziehung nicht zum konfliktbehafteten Thema macht, sondern so "selbstverständlich" erzählt, bildet für den Rezensenten einen der Reize dieses Romans. Genauso gefällt ihm, dass Puenzo mit dem titelgebenden "Fischkind" nicht in den Magischen Realismus abtaucht, sondern es im Lauf des Romans als vertuschte Kindstötung enthüllt. Die Autorin, die ihr Frühwerk übrigens unlängst selbst verfilmt hat, überzeugt in ihrem ersten Roman mit der Fähigkeit, erst Klischees aufzurufen, um sie dann "subtil zu brechen und umzudeuten", preist Borchmeyer, der auch von der Übersetzung ins Deutsche von Rike Bolte sehr angetan ist.
Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.04.2009
Nicht erst ihr Romandebüt "Das Fischkind" überzeugt Katharina Buess von Lucia Puenzos szenischem Erzähltalent, ist sie doch bereits als Filmregisseurin bekannt geworden. Ihr im spanischen Original schon vor fünf Jahren erschienener Roman erzählt von der aus Argentiniens Oberschicht stammenden Lala, die sich in das paraguayische Dienstmädchen verliebt und sich mit ihr auf eine dramatische Flucht begibt, nachdem sie ihren Vater vergiftet hat, der ihre Geliebte missbraucht hatte, fasst die Rezensentin das dramatische Geschehen zusammen. Der erzählerische Kniff, die Geschichte aus der Perspektive von Lalas Hund berichten zu lassen, sorgt zwar für manche komische oder absurde Passage, auf die Dauer findet Buess das allerdings etwas ermüdend, zumal die Identifikation mit den Hauptfiguren so nicht befördert wird, wie sie moniert. Immerhin, am Ende bleiben keine Fragen offen, und so findet es die Rezensentin trotz ihrer Einwände lohnenswert, diesen rasanten Roman bis zum Ende zu lesen.
Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 12.03.2009
"Hart, direkt, surrealistisch, universell, schnell und gefährlich" resümiert Andreas Fanizadeh seinen Lektüreeindruck. Dabei ist der Roman der jungen argentinischen Autorin Lucia Puenzo, die auch schon als international erfolgreiche Filmemacherin von sich Reden gemacht hat, aus der Perspektive eines räudigen Straßenköters verfasst, ein Kunstgriff, der nicht nur bestens funktioniert, sondern auch für Heiterkeit und Distanz zum ansonsten turbulenten Geschehen sorgt, konstatiert der Rezensent. Im Kern geht es um eine gesellschaftliche Barrieren überwindende Liebesgeschichte zwischen einer indigenen paraguayischen Hausangestellten und einer argentinischen höheren Tochter, zudem ist der ungewöhnliche Plot mit kriminalistischen Elementen angereichert. Entgegen der schematisch anmutenden Figurenkonstellation -"weißer Herr, braune Magd" - geht die literarische Umsetzung auf und entgeht den Fallen des häufig "kitschigen und ausschweifenden" lateinamerikanischen Magischen Realismus, freut sich Fanizadeh.
Puenzos Stil und Haltung sind hart, direkt, surrealistisch, universell, schnell und gefährlich.« Andreas Fanizadeh, die tageszeitung
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