11 Dezember 2011

Lesen macht klug und schoen 536 - Ilse Aichinger - Es muss gar nichts bleiben

Am 1. November 2011 wurde die österreichische Schriftstellerin Ilse Aichinger 90 Jahre alt. Anlässlich dieses Ereignisses ist nun ein Band mit Interviews erschienen.
Er gibt einen Überblick über Denken und Schreiben dieser bedeutenden Autorin:

Ilse Aichinger - Es muss gar nichts bleiben

Interviews 1952-2005
Es muss gar nichts bleiben - Aichinger, Ilse

Edition Korrespondenzen, Wien 2011
ISBN-13 9783902113795
23,00 EUR
hier bestellen (Ab 25€ ist der Versand kostenfrei)

Mit einer CD. Ilse Aichingers Antworten unterminieren jede Frage und treffen zielsicher das Unerwartete. Das hält sie im Gespräch nicht anders als beim Schreiben. Die Interviews aus 50 Jahren zeugen von Aichingers unaufhörlicher Auseinandersetzung mit den Bedingungen von Sprache und Existenz, mit der Geschichte ihrer Familie, mit aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen - gerade auch in den 80er und 90er Jahren, wo sie kaum schrieb. Ein Fremd- und Selbstkommentar zum Werdegang dieser singulären Autorin.

 Schweigen ist ein wichtiger Teil von diesem Beruf?
Das Wort mag ich nicht, und ich verstehe nicht, warum es immer auf mich angewendet wird. Ich habe ja auch einmal gesagt: Schreiben ist Sterben lernen. Sich hineinbegeben, nicht von sich sprechen. Das empfinde ich manchmal als eine Tarnkappe, die mich verbirgt. Ich möchte um alles in der Welt nichts, das mich darstellt oder ins Licht bringt. Ich will eher etwas, das mich verbirgt und eben doch das enthält, was mir wesentlich ist, nicht das »Ich«, sondern das, was mir wesentlich ist.
So habe ich einmal am Bahnhof Fotos machen lassen für einen Pass und nach zwei Stunden habe ich sie aus der Tasche gezogen, da waren sie weg. Das hat mir eigentlich sehr gefallen. Diese Art von Fotos hätte ich wirklich ganz gern.        


Aus einem Gespräch mit Brita Steinwendtner:
»Wie halten Sie es heute mit dem Misstrauen?
Das Misstrauen wird stärker, aber bei mir ist es, glaube ich, genetisch angelegt. Ich war schon vor der Geburt misstrauisch.«

Ilse Aichingers Antworten unterminieren jede Frage und treffen zielsicher das Unerwartete. Das hält sie im Gespräch nicht anders als beim Schreiben. Die Interviews aus 50 Jahren zeugen von Aichingers unaufhörlicher Auseinandersetzung mit den Bedingungen von Sprache und Existenz, mit der Geschichte ihrer Familie, mit aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen – gerade auch in den 80er und 90er Jahren, wo sie kaum schrieb. Ein Fremd- und Selbstkommentar zum Werdegang dieser singulären Autorin.

Ilse Aichinger
Ilse Aichinger (*1921)

Ilse Aichinger wurde 1921 mit ihrer Zwillingsschwester Helga in Wien geboren, als Tochter einer Ärztin und eines Lehrers. Nach der frühen Scheidung ihrer Eltern verbrachte sie den größten Teil ihrer Kindheit bei ihrer Großmutter und in Klosterschulen. Sofort mit dem Einmarsch Hitlers in Österreich im März 1938 verlor die jüdische Mutter Praxis, Wohnung und ihre Stelle als städtische Ärztin. Während die Schwester Helga noch im Juli 1939 nach England fliehen konnte, verhinderte der Kriegsausbruch die geplante Ausreise der restlichen Familie. Ilse Aichinger und ihrer Mutter wurde ein Zimmer in unmittelbarer Nähe des Gestapo-Hauptquartiers zugewiesen. Sie überlebten, die Großmutter und die jüngeren Geschwister der Mutter wurden 1942 deportiert und ermordet. Nach Kriegsende begann Ilse Aichinger ein Medizinstudium, das sie jedoch nach fünf Semestern abbrach. Sie wurde Lektorin des S. Fischer Verlags und arbeitete außerdem an der Hochschule für Gestaltung in Ulm. 1953 heiratete sie den Lyriker und Hörspielautor Günter Eich, mit dem sie zwei Kinder bekam. 1972 starb Günter Eich, nach dem Tod ihrer Mutter zog Ilse Aichinger von Großgmain bei Salzburg nach Frankfurt am Main. Seit 1988 lebt sie in Wien.
siehe auch hier: http://www.dieterwunderlich.de/Ilse_Aichinger.htm


video mit Ilse Aichinger: http://vimeo.com/31072478
Wo ich wohne. Die Schriftstellerin Ilse Aichinger



Pressestimmen: 

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.11.2011:
Rezensentin Anja Hirsch gibt Tipps für das Hören und Lesen der unermüdlichen Wortwerkerin Ilse Aichinger. Hirsch berichtet über Leben und Werk der 90-jährigen Autorin, die nicht jedem Leser mehr geläufig sein dürfte. Abhilfe schafft laut Hirsch diese Ausgabe mit Interviews aus den Jahren 1952-2005, Entwicklungsroman und Werkkommentar in einem, wie sie schreibt, zu hören und zu lesen zugleich und damit besonders charmant, wie die Rezensentin findet. Da man eben 1960 noch anders interviewte als heute, sachlich und trocken, lange Pausen inklusive, so dass Hirsch die Denkbewegung förmlich zu erlauschen vermag.

Stille der Worte  - Am 1. November 2011 wurde die österreichische Schriftstellerin Ilse Aichinger 90 Jahre alt. Anlässlich dieses Ereignisses ist nun ein Band mit Interviews erschienen. Er gibt einen Überblick über Denken und Schreiben dieser bedeutenden Autorin
Die vorliegenden Interviews sind eine interessante Zeitreise durch dreiundfünfzig (Lebens-)Jahre. Sie machen neugierig. Dem Text eine CD mit ausgewählten Gesprächspassagen aus vier Rundfunkinterviews beizulegen, war ein kluger Schachzug des Verlages. Der Leser wird dadurch automatisch auch zum Hörer: Man legt beides, Buch und CD, nur ungern wieder aus der Hand. Und zum Thema Abschied sagte sie einmal: „Vielleicht erkennen wir einander nur richtig in einem Licht von Abschied, und vieles, das wir sonst vergeuden würden, erscheint uns darin kostbar“.



Die Anarchistin: Einen einzigen Roman hat sie geschrieben, Die größere Hoffnung, ein Titel, den sie 1948 noch ernst meinte, erst später sprach sie davon, dass man mit dem Unlösbaren leben müsse. Ihre Sprachskepsis ist radikaler als die ihres aristokratischen Landsmannes Hofmannsthal, sie schärft und härtet jeden Satz und jeden Vers, den Ilse Aichinger in sieben Jahrzehnten geschrieben hat.
Allzu viele Sätze und Verse sind es nicht geworden. Ihr Gesamtwerk ist minimalistisch, jeder Jungautor überflügelt es in zwei Jahren spielend an Umfang und Seitenzahl. Ihr Ziel: das »Immer-knapper-Werden«. Wozu eine Geschichte auf die andere häufen? Nur die »notwendigen Bewegungen« zählen.

Bücher von Ilse Aichinger

Aichinger, Ilse: Film und Verhängnis. Blitzlichter auf ein Leben

Cover: Film und Verhängnis
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3100005236, Gebunden, 207 Seiten, 18,00 EUR
Bei Kriegsausbruch 1939 war Ilse Aichinger im Kino, bei Kriegsende übermittelt ihr eine Kinokassiererin eine Nachricht über deportierte und ermordete Verwandte: Film und Verhängnis - seither denkt Ilse Aichinger auch selbst "filmisch" über Leben, Treue und Verrat nach. Knapp, existentiell - eine ganz andere Autobiografie, die sie in einem 'Journal ...

Aichinger, Ilse: Unglaubwürdige Reisen.

Cover: Unglaubwürdige Reisen
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3100005279, Gebunden, 186 Seiten, 17,90 EUR
Mit der Zwillingsschwester in die Kapuzinergruft, mit dem nomadischen Urgroßvater durch den Kaukasus, mit Sigmund Freud ins Londoner Exil, mit der polnischen Putzfrau nach Oswiecim/Auschwitz: Während dreier Jahre. Vom Attentat auf die New Yorker Zwillingstürme bis zum Literaturnobelpreis für Elfriede Jelinek, begibt sich Ilse ..
 

Ilse Aichinger - Die größere Hoffnung

 http://www.fischerverlage.de/media/fs/15/3-10-000522-8.JPG


HC Sonderausgabe

Preis € (D) 14,00

ISBN: 978-3-10-000522-9

neu lieferbar
Der 1948 erschienene Roman über rassisch verfolgte Kinder während der Hitlerzeit irritiert noch immer: In verfremdenden Bildern erzählt er von der Angst, der Bedrohung und der widerständigen Hoffnung der "Kinder mit den falschen Großeltern". "Peitscht uns, tötet uns, trampelt uns nieder, einholen könnt ihr uns erst dort, wo ihr lieben oder geliebt werden wollt." Diese größere Hoffnung haben die Opfer ihren Mördern voraus.

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