Christine Lavant - Das Wechselbälgchen
Erzählung
Wallstein Verlag, Göttingen 2012
ISBN 9783835311473
16,90 EUR
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Christine Lavant, die große österreichische Lyrikerin, ist als Prosaautorin neu zu entdecken. Ihre ganz unvergleichliche Erzählung »Das Wechselbälgchen« - jetzt wieder lieferbar.
Zitha ist vom Schicksal geschlagen. Sie ist das uneheliche Kind einer Bauernmagd, geistig zurückgeblieben und körperlich entstellt. Die Leute im Dorf, die so katholisch wie abergläubisch befangen sind, haben für das traurige Schicksal des Mädchens eine einfache Erklärung: Böse Geister haben der unglücklichen Magd nach der Geburt das Kind geraubt und ihr stattdessen ein verhextes Mädchen untergeschoben. Einen Wechselbalg, wie er aus Sagen und Gespenstergeschichten der Alpengegenden bekannt ist. Er werde das ganze Dorf ins Unglück stürzen, heißt es. So nimmt der kollektive Wahn seinen Lauf, gegen den auch die Liebe der Mutter nichts auszurichten vermag. Schließlich wird dem Mädchen sogar nach dem Leben getrachtet.
Christine Lavant beschreibt die Ausgrenzung einer Schwachen aus der dörflichen Gemeinschaft mit großer Eindringlichkeit. Die erst 1998 posthum veröffentlichte Erzählung steht auch für die Gefährdung unserer Zivilisation, die sich nicht zuletzt zu Lebzeiten
Christine Lavants in der »Vernichtung unwerten Lebens« durch die Nationalsozialisten gezeigt hat. Nachdem »Das Wechselbälgchen« längere Zeit vergriffen war, erscheint die Erzählung nun erstmals im Wallstein Verlag, herausgegeben von Klaus Amann, der eine kommentierte Werkausgabe von Christine Lavant vorbereitet.
Christine Lavant, geboren 1915 in ärmlichsten Verhältnissen in St. Stefan im Kärntner Lavanttal, litt seit früher Kindheit an schwersten Erkrankungen, die sie lebenslang beeinträchtigten. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie mit Stricken. Sie begann schon in den 1930er Jahren mit dem Schreiben, ihre ersten Veröffentlichungen erschienen ab Ende der 1940er Jahre. Neben zahlreichen anderen Auszeichnungen erhielt sie 1954 und 1964 den Georg-Trakl-Preis für Lyrik und 1970 den Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur. Christine Lavant starb 1973.
Ein beträchtlicher Teil ihres literarischen Nachlasses ist noch unveröffentlicht.
Presse:
»zeitlos und rauh, sehr direkt, stringent komponiert«
(Anja Hirsch, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.01.2013)
»ein Stück Weltliteratur aus dem Lavanttal«
(Klaus Nüchern, Der Falter, Januar 2013)
»die erzählerische Kraft von Christine Lavant übt einen Sog aus, der in die Abgründe menschlicher Untiefen führt.«
(Jürgen Heimlich, www.sandammeer.at, September 2012)
»Mit großer Eindringlichkeit erzählt Lavant von Ausgrenzung (...)«
(Marianne Fischer, Kleine Zeitung, 24.09.2012)
»Christine Lavant (...) spürt Geschichten auf, die von archaischer Wucht sind und doch ganz gegenwärtig.«
(Carola Wiemers, Deutschlandradio, 06.09.2012)
»Dieser kleine Band macht Vorfreude auf die nächsten Ausgaben. Da ist womöglich eine große Dichterin zu entdecken.«
(Lothar Struck, Glanz&Elend, 6.11.2012)
»Kaum eine Erzählung hat den Ehrentitel anrührend so sehr verdient, wie diese. Nur wenige verstehen zu erzählen wie Lavant. (...) Diese so schlicht auftretende Erzählung ist alles andere als eben dies. Sie ist kunstvoll und vielschichtig.«
(Rolf Löchel, literaturkritik.de, November 2012)
Ländliche Geschichten von archaischer Wucht
Die österreichische Lyrikerin Christine Lavant litt Zeit ihres Lebens an den Folgen einer Skrofulose. Einzig im Schreiben fand sie Trost und Halt. Der Göttinger Wallstein Verlag hat nun ihre Erzählung "Das Wechselbälgchen" neu aufgelegt. Christine Lavant beschreibt einen absurden Kosmos, wo Mägde, Knechte und Gutsherren in einer strengen und brutalen sozialen Hierarchie befangen sind. Sie spürt Geschichten auf, die von archaischer Wucht sind und doch ganz gegenwärtig. Dabei geht sie immer wieder der Sprache auf den Grund, die Mitschuld trägt an der Feindseligkeit allem und jedem gegenüber, das fremd und anders ist.Besprochen von Carola Wiemers. http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/1859029/
Es ist wunderbar, wie das ausführliche Nachwort von Klaus Amann den Zauber dieser Erzählung nicht durch irgendwelche apodiktischen Deutungen nivelliert (wie das doch so häufig der Fall ist), sondern im Gegenteil erst recht zum Leuchten bringt. Da wird die Geschichte des Manuskripts, welches als Basis für diese Neuedition diente, skizziert, biographisches zu Christine Lavant ausgebreitet (inklusive eines sehr erhellenden Briefes an die dänische Journalistin Maria Crone von 1957) und der literarische und auch geographische Kontext aufgezeigt, in der sich diese Erzählung bewegt. Lothar Struck
http://www.glanzundelend.de/Artikel/abc/l/christine-lavant-wechselbaelgchen.htm
Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.01.2013
Es ist schon eine ganze Weile her, dass Anja Hirsch die Dichterin Christine Lavant entdecken durfte, 1987 holte der Suhrkamp Verlag die Gedichte aus der Versenkung, erklärt sie. Als Erzählerin ist Lavant erst viel kürzer bekannt, erst 1997 wurde "Das Wechselbälgchen" vom Wallstein Verlag im Nachlass entdeckt und prompt veröffentlicht - schon damals sehr zu Freude der Rezensentin, die die kommentierte Neuauflage des vergriffenen Bändchens nun erneut begrüßt. Es ist eine traurige Erzählung, verrät Hirsch, über das geistig zurückgebliebene Mädchen Zitha, die im katholischen Lavanttal unerwünscht zur Welt kommt und fortan hinterm Ofen ihrer Mutter vor den Blicken der Dörfler verborgen wird. Dank "stark überzeichnetem Personal" eignet sich das Wechselbälgchen hervorragend als Parabel, findet die Rezensentin, die den "sonderbaren Sog" der Erzählung beschwört.
"Christine Lavant konnte auch richtig gut blödeln"
Elisabeth Wigotschnig, Witwe des Christine-Lavant-Erben Armin Wigotschnig, über Klagenfurter Jahre der Lyrikerin, ihr Heimweh und Feste. http://www.kleinezeitung.at/kaernten/klagenfurt/klagenfurt/3055405/christine-lavant-konnte-auch-richtig-gut-bloedeln.story
Zitat zum daily book heute:
Sieh, – so gehst du, daß man meint es ginge
ernst ein Lied auf seine Mitte zu,
drin ein Vogel mit der schönen Schwinge
Bögen endet, um zur Abendruh
ins Gebüsch des vollen Strauchs zu flüchten.
Wenn du aufsiehst, glaubt man den Gerüchten
die, von früh her, Einsame befallen,
daß nach vielen langen Intervallen
immer wieder Engel (menschlich!) aufstehn
weil ein Dürsten sie so sehr gerufen.
Doch: ich baue mir noch schwere Stufen
ehe ich dich finden will – am Abend −.
Denn es wird ein großer Abend kommen
einer, dem die Nacht den Nacken biegt
wo sich Stürme, in die Wolken grabend,
ernstlich äußern, bis kein Stern mehr siegt…
Sieh, – dann wirst du von mir eingenommen
Christine Lavant
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