Deborah Levy - Heim schwimmen
Roman
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2013
ISBN 9783803132475
17,90 EUR
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Es könnte ein Ferienidyll sein, an der französischen Riviera – wäre da nicht Kitty Finch, die sich in der Villa einnistet und die Lebenshülsen der englischen Familie Jacobs in sich zusammenfallen lässt. Mit kühler Lakonie hält Deborah Levy den Leser bis zum unerwarteten Ende gefangen.
Es ist heiß. Sehr heiß. Sie sind aus London gekommen, um in einem Haus bei Nizza Ferien zu machen: Das Ehepaar Jozef und Isabel Jacobs, er Schriftsteller, sie Kriegsberichterstatterin; die beiden teilen schon lange nichts mehr, außer der Zeit, die sie miteinander verbracht haben.
Ihre vierzehnjährige Tochter Nina, die wenig von ihren Eltern hält, aber umso mehr in pubertäre Gefühlsschwankungen verstrickt ist.
Schließlich ein befreundetes Ehepaar, dessen Laden gerade pleitegeht. Beste Voraussetzungen für geruhsame Ferien.
Tatsächlich bricht schon bald das Unheil herein.
Ein nackter Frauenkörper treibt im Schwimmbad. Aber diese junge Frau namens Kitty Finch ist nicht tot. Schwankend zwischen verletzlich und exaltiert, nistet sich die selbsternannte Botanikerin mit den grüngelackten Nägeln in der Villa ein und mischt die ohnehin komplizierte Lage auf. Und sie wünscht sich nichts mehr, als dass der Dichter sich mit ihr und ihrem Gedicht »Heim schwimmen« beschäftigt.
Deborah Levy gelingt es, in 160 Seiten und sieben erzählten Tagen ein beunruhigendes und doch vertrautes Familienpanorama zu zeichnen – unbehauste Personen, unfähig zu einem gemeinsamen Zuhause.
Ein wahrer Albtraum, wäre das Buch nicht voller witziger Episoden und komischer Figuren.
Aus dem Englischen von Richard Barth.
Deborah Levy, 1959 in Südafrika geboren, lebt als Autorin in London. Nach einigen Prosaarbeiten schrieb sie vor allem Drehbücher und Theaterstücke, die unter anderem von der Royal Shakespeare Company aufgeführt wurden. Swimming Home sorgte im englischsprachigen Raum für Furore und war unter den Finalisten des Man Booker Prize 2012.
VORGEBLÄTTERT - Leseprobe zu Deborah Levy: Heim schwimmen. Teil 1 24.01.2013.
Presse:
Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.03.2013
Rezensent Jan Wiele hat Deborah Levys neuen Roman "Heim schwimmen" geradezu verschlungen. Gebannt liest er hier die Geschichte der psychisch kranken Kitty, die sich im Sommer des Jahres 1994 in Nizza in die Sommerresidenz des britischen Schriftstellers Joe H. Jacobs und seiner Familie einschleicht und für zahlreiche Konflikte in der vermeintlichen Idylle sorgt: Die laszive junge Frau weckt nicht nur bald das sexuelle Interesse des Autors, sondern ruft auch verdrängte Kindheitserinnerungen in ihm wach - der in Polen geborene Jude überlebte die Deportation durch die Nazis nur, weil sein Vater ihn als Fünfjährigen mit der Forderung, nie zurückzukehren, in den Wald schickte, berichtet der Kritiker. Ganz hingerissen ist Wiele von der Kunst Levys, die kurzen Kapitel wie in sich "abgeschlossene Filmszenen" aufzubauen und dabei derart lakonisch, schonungslos und zugleich witzig zu erzählen, dass er diesen Roman gar nicht mehr aus den Händen legen möchte.
»Auf eindringliche Weise setzt sich dieser erstaunliche Roman mit Verlust und Verlangen auseinander. Am Ende steht die Erkenntnis, dass man niemals wissen kann, wo die Vergangenheit beginnt und wo sie endet.«
Julia Pascal, The Independent
Verheißung und Verlangen
Deborah Levy: "Heim schwimmen", Wagenbach Verlag, Berlin 2013, 168 Seiten
Eine gute Handvoll Figuren versammelt Deborah Levy in diesem kleinen Roman rund um eine Villa mit Swimmingpool. "Heim schwimmen" ist wie ein Kammerspiel angelegt und geht doch darüber hinaus - mit packenden Bildern und einem dezenten Thrill.
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/1997130/
Leseprobe hier: http://www.perlentaucher.de/vorgeblaettert/leseprobe-zu-deborah-levy-heim-schwimmen-teil-1.html
Die Figuren in "Heim schwimmen" kommen nicht von ihrer Vergangenheit los. Eklatant ist das bei Joe. Deborah Levy versetzt sich abwechselnd in die verschiedenen Charaktere, lässt uns ihre Gedanken, Erinnerungen, Träume und Imaginationen miterleben. In kurzen, rasch skizzierten Szenen treibt Deborah Levy die Handlung voran.
Eine Fahrt von Joe und Kitty auf einer Gebirgsstraße variiert sie dreimal, gleich zu Beginn und dann auf der Seite 33 sowie den Seiten 148 bis 152. Dabei wiederholen sich zentrale Sätze.Die Handlung umfasst eine Woche im Juli 1974. Beendet wird der Roman durch einen Abschnitt, der 17 Jahre später in London spielt: Nina, die inzwischen selbst eine Tochter hat, erinnert sich an ihren Vater und die Ereignisse im Juli 1974.
Die Sprache in "Heim schwimmen" ist zumindest in der deutschen Übersetzung eher lapidar, spröd und hölzern.
Lebenslanger Alptraum
Acht Tage dauert das flirrende Spiel, das alles durcheinander bringt. Die Träume siegen über die Wirklichkeit in diesem Sommer 1994, der für die 14-jährige zum lebenslangen Alptraum werden wird. Jahre später erinnert sie sich daran – in einem Epilog zu dieser Geschichte, deren Prolog mit einem großartigen liebesklugen Satz beginnt: „Als Kitty Finch das Lenkrad losließ und zu ihm sagte, dass sie ihn liebe, da wusste er nicht mehr, ob sie sich mit ihm unterhielt oder ihm drohte.“Manuela Reichart, kulturradio
podcast BR Bremen: http://www.radiobremen.de/nordwestradio/sendungen/literaturzeit/audio105528-popup.html
zitat zum daily book heute:
“Das Leben ist nur lebenswert, weil wir hoffen, dass es irgendwann besser wird und dass wir am Ende alle wohlbehalten heimkehren.”
“Um das zu tun, was sie sich in diesem Leben vorgenommen hatte, riskierte sie es, ihren Platz als Ehefrau und Mutter zu verwirken – ein verwirrender Platz, an dem ihr all die Erwartungen im Nacken saßen, die an einen gestellt wurden, wenn man sich für ihn entschied.”
“Es gab Zeiten, da hatte er das Gefühl, dass sie ihm kaum in die Augen schauen könne, ohne ihr Gesicht in den Haaren zu vergraben. Und er konnte ihr ebenso wenig in die Augen schauen, weil er sie schon so oft betrogen hatte.”
“Ihre Mutter verschwand nach Nordirland, in den Libanon oder nach Kuwait, und dann kam sie zurück, als wäre sie nur mal eben Milch holen gewesen.”
“Ich habe nie so richtig begriffen, wann die Vergangenheit anfängt und wo sie aufhört, und auch wenn Städte die Vergangenheit in Form von Statuen festschreiben, die für immer in einer einzigen, würdevollen Pose erstarrt sind – so sehr ich mich anstrenge, die Vergangenheit dazu zu bewegen, stillzuhalten und sich anständig zu benehmen: Sie regt sich doch und begleitet mich durch jeden einzelnen Tag.”
“Ich habe nie so richtig begriffen, wann die Vergangenheit anfängt und wo sie aufhört, und auch wenn Städte die Vergangenheit in Form von Statuen festschreiben, die für immer in einer einzigen, würdevollen Pose erstarrt sind – so sehr ich mich anstrenge, die Vergangenheit dazu zu bewegen, stillzuhalten und sich anständig zu benehmen: Sie regt sich doch und begleitet mich durch jeden einzelnen Tag.”
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