30 März 2012

Lesen macht klug und schoen 617 - Cordelia Fine - Die Geschlechterlüge

Männer und Frauen ticken gar nicht so unterschiedlich. Cordelia Fine entlarvt hartnäckige Geschlechterlügen.

Cordelia Fine - Die Geschlechterlüge

Die Macht der Vorurteile über Frau und Mann

Buchdeckel „978-3-608-94735-9

Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2012
ISBN-13 9783608947359
21,95 EUR
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Frauen können nicht einparken und Männer nicht zuhören. Diese Überzeugung gehört wie viele weitere zu unserem Alltag. Die Neurowissenschaftlerin Cordelia Fine räumt unterhaltsam und scharfsinnig mit diesem Mythos auf. Vergessen Sie alles, was sie je über männliche und weibliche Gehirne gehört haben.
Viele bekannte populärwissenschaftliche Bestseller behaupten auf der Basis neurowissenschaftlicher Untersuchungen: 
Männer und Frauen haben unterschiedliche Gehirne und daher unterschiedliche Begabungen. Vermeintliche natürliche Unterschiede werden aufgebaut und dienen als Erklärung für gesellschaftliche Rollenstereotype. Cordelia Fine entlarvt, wie unter dem Deckmantel der Wissenschaft schlampige Untersuchungen, oberflächlich gedeutete Forschung und vage Beweise zu angeblichen Tatsachen gemacht wurden. 
Sie zeigt, wie unser Leben als Mann und Frau stark von geschlechtertypischen Erwartungen und Vorurteilen beeinflusst wird, selbst wenn wir sie nicht gut heißen. Und welch subtile Macht Stereotype ausüben können. Das Einzige, was wissenschaftlich bewiesen ist: Es gibt eine neuronale Plastizität. Unser Gehirn entwickelt sich vor allem durch psychologische Einflüsse, Erfahrungen und Tätigkeiten. 
Und für Männer und Frauen gilt: Alles ist möglich!

Eine witzige und scharfsinnige Entlarvung unserer allgegenwärtigen Geschlechterlügen

autor_portrait
Cordelia Fine, geboren 1975, ist die Tochter der Schriftstellerin Anne Fine. Sie studierte Psychologie und Neurowissenschaften in London und Toronto und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen in Melbourne. Sie unterrichtet am Centre for Ethical Leadership an der Melbourne Business School und ist seit 2012 auch als Forscherin und Fellow am Department of Psychological Sciences an der Universität von Melbourne tätig. Website der Autorin


»Cordelia Fine holt die Neurowissenschaften auf den Teppich.« Frankfurter Allgemeine Zeitung


Leseprobe
Von allen Hindernissen, die sich dem Fortschritt des Denkens und der Ausbildung wohlbegründeter Ansichten über das Leben und die sozialen Ordnungen in den Weg stellen, ist in unserer Zeit das größte und beklagenswerteste die unsägliche Unwissenheit der Menschen über und ihre Unaufmerksamkeit auf die Einflüsse, welche den menschlichen Charakter bilden. Man hält alles, was einzelne Individuen oder ganze Klassen gegenwärtig sind oder zu sein scheinen, für ein Produkt ihrer natürlichen Anlagen – während man doch, sobald man sich nur einigermaßen über die Bedingungen, unter denen sie sich entwickeln, unterrichten würde, sehr genau die wahren Ursachen erkennen würde, welche sie so und nicht anders werden ließen.
John Stuart Mill, Die Unterwerfung der Frauen (1869)

Vorwort

Ich darf Ihnen Evan vorstellen. Wenn Jane, seine Frau, verstimmt ist, setzt er sich neben sie auf die Couch und liest eine Zeitung oder ein Buch, »um sich von seinen eigenen unguten Gefühlen abzulenken«, wobei er zerstreut einen Arm um Janes Schultern legt. Nachdem er einige Jahre an diesem Problem gearbeitet hat, sieht er sich allmählich zunehmend in der Lage, ihr auf etwas herkömmlichere Art seine Anteilnahme zu vermitteln. Die politisch Korrekten und/oder wissenschaftlich Uninformierten unter meinen Lesern fragen sich jetzt wahrscheinlich, warum Evan sich so sonderbar verhält. Liegt es daran, dass er Jane nicht wirklich liebt? Erholt er sich nur langsam von einem Zwischenfall, der ihn zutiefst traumatisiert hat? Wurde er bis zum Alter von 13 Jahren von Wölfen aufgezogen? Alles falsch – Evan ist einfach nur ein ganz normaler Mann mit einem ganz normalen Männergehirn, das in Sachen Empathie eben komplett ungünstig verdrahtet ist. Dass ein simpler Tröstungsakt in Evans Verhaltensrepertoire nicht vorkommt, liegt an den Neuronen, mit denen die Natur ihn ausgestattet hat: Neuronen, die eine verheerende »Testosteronmarinierung« über sich ergehen lassen mussten; Neuronen, denen die »angeborene Fähigkeit, aus einem Gesichtsausdruck oder einem Tonfall emotionale Nuancen herauslesen zu können«, abgeht, wie sie die Neuronen von Frauen beherrschen; kurz: männlichen Neuronen.


Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 28.07.2012
Claudia Pinl begrüßt dieses Buch der Psychologin und Neurowissenschaftlerin Cordelia Fine über die "Geschlechterlüge". Sie attestiert der Autorin eine kritische Revision von hundert Studien und deren Schlussfolgerungen im Blick auf geschlechtsspezifisches Verhalten. Dabei wird für Pinl einmal mehr eindrucksvoll deutlich, dass sich Männer und Frauen wesentlich ähnlicher sind als zahlreiche angelsächsische Autoren meinen, die seit Jahren predigen, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern seien (evolutions-)biologisch, genetisch, hormonell, neuronal bestimmt. Fine widerlegt für sie im Detail den Mythos essenzieller Männlichkeit und Weiblichkeit. Das scheint ihr manchmal fast ein wenig ermüdend. Nichtsdestoweniger hält sie es für notwendig.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.03.2012

Dass sich die Gleichberechtigung nicht erledigt hat, ahnt Melanie Mühl schon. Die Lektüre des Buches der Neurowissenschaftlerin Cordelia Fine aber macht ihr klar, wie weit der Weg ist, den wir noch zu gehen haben, zumal in den sogenannten fortschrittlichen Industrieländern. Im Vergleich zu Schwellenländern ist die geschlechterspezifische Berufswahl bei uns nämlich deutlich höher ausgeprägt! Gut an dem Buch gefallen Mühl nicht nur solche Augenöffner, sondern auch der immer wieder durchsickernde (nie schäumende) Zorn der Autorin auf die lieben Kollegen und die Verhältnisse. Das faktenreiche Buch über die Allgegenwart von Gender-Identität, meint sie, wird so auch noch amüsant.

Aus Minds and Brains: Musings from a Neurophilosophical Perspective:
v. 3.3.2012
But given everything we already know about how brains work, I am confident that we can now throw away the very idea that there is an “essence” to the male or female brain. The only way of testing what the male and female brains are really capable of would be to raise them in a gender-neutral society. But that is an impossibility. Gender saturates our social world and it likely isn’t going away anytime soon. Until that time, we really don’t know what male or female brains are capable of. Maybe 1000 years in the future there will be an equal amount of male and female physicists, philosophers, and computer scientists, or maybe, for some reason, more females in traditional male-led fields. The well-documented plasticity of the brain and the human specialization for long gestation periods, sensitivity to environmental conditions, and staggering amounts of social learning make the future of human psychology impossible to predict. One thing is for sure though: gender norms have been changing, are changing, and will continue to change in response to new developments both biological and cultural. The only thing “essential” about the female and male brain is the essential tendency to change, adapt, and robustly respond to varying environmental conditions.

 Salon spoke to Fine over the phone from Australia about the science of single-sex schooling, the message of “Revenge of the Nerds,” and why women aren’t really better than men at interpreting people’s feelings.
Parents who try to raise children in gender-neutral environments are often horrified when, despite their best intentions, their daughters are drawn to Barbies and their sons are drawn to violent toys. If there are no hard-wired differences between the sexes, why does this happen?
I spend a lot of time with parents, and you see egalitarian-minded parents try hard to rear their children in a non-gendered way. Then you see their children defy them. The fact is, babies are born into a world in which sex is the most important and obvious social division. It’s constantly emphasized through segregation, through dress and so forth. Babies are born to parents who have a host of assumptions and expectations about gender, whether or not they consciously endorse those expectations. Studies have shown that parents have a tendency to see boys as more boyish and girls as more girlish than they actually are.
Once the children reach the age of 2, which is the age they discover which side of this gender divide they’re on, all bets are off. Parents may prefer that girls not play with Barbies and boys not play with guns, but by that age children know what tribe they belong to, and will want to be part of it.





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