16 Juli 2012

Lesen macht klug und schoen 718 - Etel Adnan - Jahreszeiten

»Denken heißt nicht, über etwas nachsinnen, sondern Zeugnis ablegen.« 
Etel Adnan - Jahreszeiten

Schrift und Bilder
















Nautilus
Deutsche Erstausgabe
128 Seiten, illustriert mit Bildern und Fotos
ISBN 978-3-89401-753-8
Erschienen Mai 2012
€ 22,–
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»Jahreszeiten« ist ein Gang mit der Sonne in vier Etappen, eine Suche nach dem, was hinter dem wechselnden Wetter der Geschichte, der politischen Entscheidungen, der Katastrophen und des eigenen Ichs verborgen bleibt: 
»Sein ist ein Vorgang, nach dem wir suchen, während er sich ereignet.« 
Etel Adnan fächert ihre Persönlichkeit unter verschiedenen Blickwinkeln auf und übergibt sie als Welt für sich der Wahrnehmung des Lesers.
»Denken heißt nicht, über etwas nachsinnen, sondern Zeugnis ablegen.« 
Diesen Satz stellt Etel Adnan ihrem jüngsten Text voran. Es geht um Wahrnehmung all dessen, was unser Leben ausmacht: Momente des Alltags, Form und Funktion von Gegenständen, die Natur in ihren Veränderungen, Gefühle und Befindlichkeiten, Blicke auf andere Menschen, Einblicke in sich selbst – aber auch um die Gewissheit, in einen Zusammenhang eingebunden zu sein, der über das Sichtbare hinausgeht, der die Gegenwart dort justiert, wo sie sich befindet: im Raum, zwischen Vergangenheit und Zukunft. 
Etel Adnan spricht von Universum und Geschichte und eröffnet eine neue Ebene der Wahrnehmung, die unser Leben in einen historischen, metaphysischen und spirituellen Kontext stellt – vermittelt durch Sprache, durch den Wechsel von Tonarten, durch den spezifischen Klang. 


Nur so kann ein Satz zu einem Gedanken werden, der es vermag, »Zeugnis abzulegen«.
Aus dem Englischen übersetzt und herausgegeben von Klaudia Ruschkowski
Etel Adnan

Etel Adnan, Tochter einer christlichen griechischen Mutter und eines muslimischen syrischen Vaters, wurde 1925 in Beirut geboren. Sie wuchs in einer vorwiegend arabischen Gesellschaft auf, sprach zu Haus griechisch und türkisch, wurde aber in einer französischen Schule erzogen. Mit 24 Jahren ging sie nach Paris, wo sie an der Sorbonne ihren Abschluss in Philosophie machte. Anschließend setzte sie ihre Studien in den USA fort, an der University of California, Berkeley, und an der Harvard University. Über viele Jahre unterrichtete sie „Philosophy of Art“ an der Dominican University of California in San Rafael. Seit den sechziger Jahren veröffentlicht Etel Adnan Gedichte, Prosa, Essays und Theatertexte in englischer und französischer Sprache, präsentiert ihre Bilder, Zeichnungen und Künstlerbücher in Ausstellungen. Sie lebt in Paris, in Sausalito Ca., in Beirut und auf der griechischen Insel Skopelos.
Das Al-Madina Theater im Herzen Beiruts hat die Dichterin, Schriftstellerin und Malerin Etel Adnan 2010 in einer großen Hommage gefeiert. Zum Abschluss riefen die Direktorin des Al-Madina Theaters, Nidal Al Achkar, und die Direktorin des Riksteatern Stockholm, Birgitta Englin, den „Etel Adnan Award for Female Playwrights in the Arab World“ ins Leben, dotiert mit 5000 Euro für das beste Stück, das dann sowohl in Beirut wie in Stockholm aufgeführt wird.
Für ihr Verdienst um die arabische Welt wurde Etel Adnan vom libanesischen Präsidenten Michel Slaiman mit dem Staatspreis ausgezeichnet.
Wir sind alle eine Synthese, ein Gewebe aus vielen Fäden, das unsere Persönlichkeit ausmacht. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass in jedem von uns mehrere Personen stecken. Für mich ist Identität nicht naturgegeben. Identität kann auch auf einer bewussten Entscheidung beruhen. Natürlich bin ich auch Araberin, neben vielen anderen Dingen. Ich fühle mich der arabischen Welt tief verbunden, gerade wegen all der Konflikte und der Schwierigkeiten, die die arabische Welt durchlebt hat und immer noch durchlebt. Selbst wenn man sie vergessen wollte: Es geht einfach nicht. Denn man wird jeden Tag an diesen Teil der Welt erinnert. In diesem Sinne fühle ich mich loyal und auch verantwortlich. Etel Adnan im Gespräch mit Martina Sabra, 2009
http://de.wikipedia.org/wiki/Etel_Adnan

Porträt: Etel Adnan - Wie eine Nomadin ist die 1925 in Beirut geborene Dichterin und Malerin Etel Adnan durch ihr Leben gezogen: zwischen Orient und Okzident, zwischen alten und neuen Sprachen, zwischen Literatur und Malerei - eine Reise voller Entdeckungen und Erinnerungen, geprägt von immer neuen Kriegen. "Meine Bilder und meine Bücher sind mein wahres Zuhause geworden. Der geschriebene Gedanke ist für mich wie ein Ort, ein Merkzeichen, ein Punkt um anzuknüpfen, als pflanzte man einen Baum", erzählt Etel Adnan in Paris. "Er sprießt, er verändert sich - aber er ist da!"
Neben Beirut wurden Paris, Sausalito in Kalifornien und die griechische Insel Skopelos zu Adnans wichtigsten Fixpunkten, von wo aus sie seit den 60er Jahren zahlreiche Romane, Essays, Gedichte und Theaterstücke publizierte, doch "Beirut klebt an mir wie heißes Wachs", sagt sie in ihrer Essaysammlung "Von Frauen und Städten".
Mit 85 Jahren steht sie nun vor einem Durchbruch in einer breiteren Öffentlichkeit. So werden ihre Bilder und Zeichnungen auf der documenta 13 in Kassel ausgestellt werden. In Paris trifft "Metropolis" die große Weltensammlerin, die dort die Epochen ihres Leben rekapituliert.
http://www.arte.tv/de/Portraet-Etel-Adnan/3656970.html

Pressestimmen: 



»Adnans Texte sind so schwebend leicht und zugleich so schwer, dass man sie wie Kostbarkeiten nur in kurzen Passagen lesen möchte. Und wo immer man eines der Bücher aufschlägt, stößt man auf Sätze, die einem die Sprache verschlagen.«
Berliner Zeitung
»Die Liebe und der Krieg exponieren die literarischen Themen der 1925 in Beirut gebürtigen Schriftstellerin und Malerin Etel Adnan. Ob der libanesische Bürgerkrieg, der erste oder zweite Irakkrieg: Vor dem Horizont des Krieges setzt die studierte Philosophin ihr Schreiben rückhaltlos dem Wahnsinn nicht enden wollender Blutbäder und tobsüchtiger Stürme von Verzweiflung und Ohnmacht aus. Zugleich sondiert sie das Terrain der Liebe, wirft Obsessionen auf das Papier, die tiefe Wunden in das Fleisch der Seele reißen, beschreibt Narben, die nicht heilen.
(...) Sie ist nicht nur eine international renommierte Autorin, sondern auch Malerin. Dass ihre beiden Begabungen zusammenhängen, davon ist die 86-jährige zutiefst überzeugt. Das Malen prägt ihren literarischen Stil, einen Gestus der Simultanität. Etel Adnan ist in mehrerer Hinsicht Grenzgängerin. Sie studierte als erste Frau aus dem Libanon an der Sorbonne. Sie gehört sowohl der arabischen Welt wie auch der westlichen Kultur an, lebt in Paris, Kalifornien und Beirut.«
Frank Raddatz, SWR2
»Wir werden mitgerissen – von ihrer intellektuellen Kraft, ihren Emotionen, den poetischen Bildern und dem Willen, die Welt zu begreifen.
Barbara Wahlster, Deutschlandradio Kultur, zu ›Von Frauen und Städten‹
»Etel Adnan gehört zu den Dichtern, deren welthaltige Biografien bestechend sind: Da ist ein Kosmos an Erfahrung, ein immenser Speicher an Erlebtem und Gelesenem. Sie bringt das Verstreute in Zusammenhänge. Und dieses Wissen ist in jeder Zeile anwesend.«
Marina Achenbach


Die libanesische Weltbürgerin, die auch auf der Documenta ausstellt, schreibt Sätze von malerischer Dichte, die einem den Atem stocken lassen. Sabine Vogel http://www.fr-online.de/literatur/buchtipps-fuer-den-urlaub--3--lesetipps--buecher-fuer-das-leichte-gepaeck,1472266,16477574.html


Das ist Dichtkunst: Während der Documenta können Schriftsteller an einem Tisch im chinesischen Restaurant schreiben. Darunter auch die hochbegabte und hochbetagte libanesische Künstlerin Etel Adnan .http://www.spiegel.de/kultur/literatur/das-buch-jahreszeiten-von-etel-adnan-a-839128.html

Ihre Tätigkeit in zwei Kunstformen reflektiert auch der zweite gerade auf Deutsch erschienene Band von Etel Adnan: "Jahreszeiten. Schrift und Bilder". Und auch darin vertraut sich das Denken einem Gang mit der Sonne in vier Etappen an, der individuellem Leben und großer Geschichte nachforscht. Es geht um eine geschärfte Wahrnehmung von Alltagssituationen, Gegenständen, Emotionen, Naturräumen oder Menschen. Adnan stellt so das Einzelne in Zusammenhänge, die sich einem flüchtigen Hinsehen nicht unbedingt sofort erschließen. Kontexte in den Blick zu nehmen, das beinhaltet bei Etel Adnan auch den Bezug zum Zeitgeschehen: So sehr ihre Werke bisweilen abstrahieren oder die Essenz der Dinge suchen, so klar zeugen sie von politischem Bewusstsein. Dass sie sich Anfang der 60er-Jahre vom Schreiben stärker der Kunst zuwandte, hatte mit Adnans Unbehagen zu tun, in Zeiten des Algerienkriegs Französisch zu schreiben, andererseits begann sie unter dem Einfluss der Autoren-Bewegung gegen den Vietnam-Krieg, Gedichte zu verfassen, wurde "American Poet". Und die konfliktreiche Situation in der ersten Heimat der Künstlerin, in Nahost, ist oft die Folie ihrer Arbeit.
http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/diwan/etel-adnan-arabische-apokalypse100.html

Blick ins Buch "Arabische Apokalypse" Textauszug | Bild: Suhrkamp Verlag



Leseprobe
Die Geschichte reitet nicht mehr auf Kamelen, frisst aber immer noch Staub.
Verbindungslinien liegen seither tief unter der Haut begraben. Nebel breitet sich über der Geschichte aus, ohne sich zu heben. Unordnung ist chronisch, Preisgabe, im Kern erotisch. Opfer sind gefährlich in ihrer Rache.
Kann man Erinnerung brechen, wie man Stein bricht durch Stein? Hat Erinnerung die Funktion, zuerst zusammenzubrechen, durch eigenes Zutun, dann die Teile aufzusammeln und sie wieder zusammenzusetzen, aber unbeholfen, niemals so, wie sie gewesen waren? Ist ein gebrochenes Bewusstsein nur gebrochen, oder hat es sich vervielfältigt? Könnte ein Gehirn, kollabiert, aber wieder zusammengeflickt, erneut den Frühling an Kaliforniens nördlicher Grenze genießen und sich bewusst sein, dass nur Musik die Durchdringung unserer Augen durch blühende Bäume zum Ausdruck bringen kann?
Als wäre Schmerz eine Metapher für Genuss. Mit dieser Aussage ist der Fall erledigt. Wasser durch Rinnsteine leiten und die blauen Eichelhäher mit Beeren füttern, der perfekte Balanceakt der Natur. Es wäre absurd, Theorien zu Rate zu ziehen, um die rostfarbenen Berge Kaliforniens zu besteigen. Für Liebende ist Liebe kein Spiel. Im Zuge ihrer Zerstörung zerbrechen Körper wie Glas oder zerbröseln wie weicher Kuchen......

»Irgendwann habe ich begriffen, dass es unmöglich ist, jemals vollkommen dort zu sein, wo man ist.« Etel Adnan


Weitere Literatur der Autorin bei Lillemors:


Adnan, Etel
Aus Barcelona, von der griechischen Insel Skopelos, Aus Murcia, Amsterdam, Berlin, Rom und Beirut schreibt die libanesische...  
Edition Nautilus
14,90 €
Adnan, Etel
Düsteres Glanzstück dieser durchaus abwechslungsreichen, auch mit hellen Tönen aufwartenden Erzählungen, die sich stets dicht...  
Suhrkamp
19,80 €








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