Frauenbewegung und Feminismus der 1970er Jahre in München
Erste grundlegende historische Analyse der Münchener Frauenbewegung
In den 1960er Jahren schlug die Stunde der Frauen - endlich. Ihr Leben veränderte sich, ihr politisches Engagement in eigener Sache gewann eine neue Qualität, ihre Forderungen nach Emanzipation und Selbstbestimmung fanden breite Resonanz. Trug die Revolte von "1968" wirklich zu dieser Wende bei? Welche Rolle spielte der grundlegende gesellschaftliche Wandel, dem die Bundesrepublik damals unterworfen war, tatsächlich? Am Beispiel Münchens skizziert Elisabeth Zellmer die organisatorische Entwicklung, die Leitideen und Aktivitäten der Frauenbewegung. Sie spannt dabei den Bogen vom feministischen Aufbruch Ende der 1960er Jahre bis zur Gleichstellungspolitik der 1980er Jahre, die als größter legislativer Erfolg engagierter Frauen gelten kann.
Elisabeth Zellmer, geboren 1977, war von 2006-2010 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Zeitgeschichte München-Berlin; Koordinatorin des Promotionsprogramms Umwelt und Gesellschaft am Rachel Carson Center.
Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.12.2011
Ob Gabriele Clemens ihr referiertes Wissen über die Münchner Frauenbewegung wohl aus dem zu besprechenden Band hat? Gehen wir davon aus. Sonst steht nämlich nicht allzuviel zu dem Buch in ihrer Kritik. Bloß, wie anregend der Band zu lesen war, obwohl Feminismus ein nicht eben stiefmütterlich behandeltes Feld der Historiografie ist, wie Clemens weiß. Und dass die Autorin gut daran tat, sich bei ihren Analysen auf die Münchener Szene zu beschränken, weil die Quellenlage hier außerordentlich gut sei und die Initiativen sich vielfältig entwickelten. Dass selbst die Frauenbewegung nicht aus dem Nichts kam, sondern Teil politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen war, ist eigentlich klar. Elisabeth Zellmer erklärt's der Rezensentin noch einmal überzeugend.
Versetzten der „neue Frauentyp“ und die Frauenbewegung in den 1970er Jahren noch so manchen Zeitgenossen in Krisenstimmung, gelten sie heute weitgehend als Erfolgsgeschichte.
Zweifelsohne gehört die Emanzipation der Frau zu den neueren sozialen Phänomenen, die sich entscheidend auf den Alltag, das Leben der Familien und nicht zuletzt die Beziehungen zwischen den Geschlechtern ausgewirkt haben. Dennoch fehlte bislang eine umfassende wissenschaftliche und vor allem empirische Untersuchung der Frauenbewegung. Elisabeth Zellmer, die am Rachel Carson Center der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München arbeitet, legt nun mit „Töchter der Revolte? Frauenbewegung und Feminismus der 1970er Jahre in München“ ein Buch vor, das die Entwicklung der Frauenbewegung vor dem Hintergrund von „Reform und Revolte“ nachzeichnet - konnte sich das weibliche Aufbegehren doch erstmals im Kontext der politischen Unruhe von 1968 öffentlichkeitswirksam artikulieren. Die Autorin geht unter anderem auf die Situation in den 1960er Jahren ein, als Frauen etwa nur dann erwerbstätig sein durften, wenn dies „mit ihren Pflichten in der Ehe und Familie vereinbar“ war. Ein weiteres Kapitel untersucht die zunehmende Politisierung des Privaten: Frauen und „1968“.
In dieser Zeit entstanden auch die sogenannten Kinderläden, in denen schon die Kleinsten zu freien und vor allem kritischen Persönlichkeiten werden sollten – aber auch die Beziehungen zwischen Männern und Frauen verhandelt wurden. „Frauenbewegte Aufbrüche in den frühen 1970er Jahren“ sind ein weiterer Schwerpunkt der Studie. Das Frauenforum München ist nur eine der hier erwähnten Gruppierungen, in denen sich Frauen organisierten und engagierten. Manches Mal auch in Zusammenarbeit, etwa wenn es galt, zwischen den Wahlen an politische Anliegen der weiblichen Bevölkerung zu erinnern. „Danke für die Blumen, Rechte wären uns lieber“, hieß es etwa in einem Flugblatt, das im Frühjahr 1973 in gemeinsamer Aktion mehrerer Frauengruppen zu Zehntausenden in bundesdeutschen Städten verteilt wurde. Nachfolgend zeichnet das Buch die Entstehung „feministischer Gegenwelten in den späten 1970er Jahren“ nach bis hin zum Aufbau einer „Gegenkultur“, die dem Patriarchat Paroli bieten sollte. „Die Emanzipation betraf in vielen Fällen die unmittelbaren Lebensverhältnisse der beteiligten Frauen“, sagt Zellmer. „Viele empfanden es aber auch ganz grundsätzlich als persönliche Bereicherung, aktiv zu werden und im wahrsten Sinne des Wortes ihre Stimme zu erheben.“
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