05 Juni 2017

Lesen macht klug und schoen 1271 - Gisela von Wysocki - Wiesengrund

Wiesengrund ist der zweite Roman der Schriftstellerin, Essayistin und Theaterautorin Gisela von Wysocki nach ihrem gefeierten Romandebüt Wir machen Musik. Er handelt von der Annäherung an ein Faszinosum. Und beschreibt die komischen, skurrilen Versuche, aber auch die Vergeblichkeit, seinem beklemmenden Zauber zu entkommen.

Gisela von Wysocki - Wiesengrund
Roman


Suhrkamp Verlag, Berlin 2016
ISBN 9783518425497
Gebunden, 264 Seiten,
22,00 EUR
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Sterne sind aus Plasma und Gas gemacht. Der Vater muss es wissen, ein weit über Salzburg hinaus bekannter Astrophysiker. Hanna Werbezirk hält sie trotzdem für ewig. Und hat wenig Lust, ihm als Assistentin in seinem astronomischen Labor zu dienen. Im Nachtstudio hört sie heimlich die Vortragsfolge eines Autors, dessen Name sie sich merken wird. Wiesengrund. Er könnte hilfreich sein, für sie die Frage nach der Beschaffenheit der Sterne zu klären. Seine Worte, wendig und wandlungsfähig, eröffnen ihr den Blick in eine Welt mit eigenen Gesetzen. Das Gefühl einer Komplizenschaft mit dem radiophonen Mitternachtsbesucher macht aus der Lektüre seiner Schriften ein von Herzklopfen begleitetes Ereignis. Als Studentin der Philosophie reist Hanna einige Jahre später nach Frankfurt am Main, um Wiesengrund in natura zu erleben - und gerät in gänzlich neue Sphären. Die politischen Turbulenzen der Zeit wirken auch in ihre neuen Lebensverhältnisse hinein. Vor allem aber steht sie jenem magischen Feld gegenüber, das sie selbst um den hazardeurhaften Denker errichtet hat.

Gisela von Wysocki, 1940 in Berlin geboren, Essayistin, Theater- und Hörspielautorin, Literaturkritikerin, studierte Musikwissenschaft in Berlin und Wien und Philosophie bei Theodor W. Adorno. Sie promovierte über den österreichischen Dichter Peter Altenberg und wurde für ihre Buchveröffentlichungen mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Sie lebt in Berlin.

Leseprobe hier

Presse

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 28.02.2017
Roman? Irrtum, meint Stephan Wackwitz. Gisela von Wysockis Buch hält er eher für einen Klassiker soziologischer Feinarbeit, der die universitären sechziger Jahre bestens abzubilden weiß. Die Hintergrundgeschichte scheint den Rezensenten bloß zu stören. Der Kern hingegen, in dem es um das bildungssoziologische Biotop der muffigen Adenauerzeit geht, um ein Frankfurt, das es nicht mehr gibt, um Eisessen mit Adorno, um Marx und um den Nationalsozialismus, gefällt Wackwitz außerordentlich. Stilistisch originell, atmosphärisch und informativ findet er den Text. Und komisch! Wenn die Autorin durchaus aus autobiografischer Quelle den Besuch einer Zoohandlung mit dem Professor und das Lavieren zwischen Nähe und Ferne, das erotische wie intellektuelle Aneinandervorbeireden und die physiognomischen Besonderheiten Adornos beschreibt, prägt sich das dem Rezensenten tief ein.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.01.2017
Burkhard Müller hat sich mit Gisela von Wysockis Adorno-Roman "Wiesengrund" zwar einigermaßen gut unterhalten gefühlt, einen Mehrwert vermag er aber nicht aus dem Roman zu ziehen. Der Rezensent folgt hier der jungen Adorno-Studentin Hanna, die ihr Idol immer enger umkreist, zwischen Verehrung und Entweihung ihres Götzen hin- und herpendelt und dabei einige witzige Anekdoten zum Besten gibt. Dass Adornos Gedankenwelt gar nicht angesprochen wird, schlimmer noch, dass hier geradezu das Denken als lästige Mühe abgetan wird, findet Müller ärgerlich.


Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 31.10.2016
Bemerkenswert findet Otto A. Böhmer Gisela von Wysockis Roman. So wie er in diesem Buch auftritt, hat Böhmer Adorno noch nie gesehen. Dass die Autorin ihre eigenen Erfahrungen als Studentin auf ihre Hauptfigur überträgt, die sie der Faszination Adornos erliegen lässt, scheint Böhmer maßgeblich zum Gelingen des Textes beizutragen. Vor allem, da Wysocki kein Herrschaftswissen vermittelt, sondern das Unausdeutbare und Irritierende Adornos einfach stehen lässt. Ein feiner Witz, der nie zu Lasten der Figuren geht, begeistert Böhmer zusätzlich.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 22.10.2016
Tilman Krause ist hingerissen von Gisela von Wysockis Bildungsroman über das intellektuelle Frankfurt von 1968. Der autobiografisch eingefärbten Protagonistin folgt er nach Frankfurt in die Wirkungssphäre Adornos, den die Autorin von seiner musikalischen Seite zeigt, wie Krause erklärt. Geistreich und witzig charmant berichte die Autorin von der intellektuellen Langzeiterregung ihrer Heldin. Bildungssozialisation einmal vermittelt auf eine weniger langweilige, korinthenkackerhafte Weise, freut sich Krause, nicht im Modus der Dauerverbeugung, sondern bezaubernd durch die Mittel der Entzauberung.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.10.2016
Stefan Müller-Doohm lässt sich von Gisela von Wysocki in die späten 50er und frühen 60er zurückversetzen, zu Adorno, der einmal nicht als negativer Dialektiker, sondern als Eichendorff-Jüngling und Fabelwesen vorgestellt wird, dem die Studentinnen in einer Mischung aus Abwehr und Faszination verfallen. Anschaulich und witzig, wie Wysocki die Anziehungskraft Adornos rüberbringt, seine Handküsse, sein patriarchales Verhalten, seine Sprachartistik, lobt der Rezensent. Die Begegnungen zwischen der Ich-Erzählerin und diesem Wiesengrund vermittelt ihm die Autorin farbig und kraftvoll in 34 Miniaturen, subjektiv, autobiografisch und verdichtet, in einer Mischung aus Fiktion und Zeitgenossenschaft. Sowohl das Frankfurter Milieu als auch die Stimmung der Zeit werden in diesem "konfigurativen" Schreiben für Müller-Doohm sichtbar, ohne dass Adornos Philosophie dazu bemüht werden müsse.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.10.2016
Mit Gisela von Wysockis "Wiesengrund" hat Rezensentin Marie Schmidt einen ebenso witzigen wie sinnlichen Roman über die "Erotik des Intellektuellen" gelesen. Der Titel legt es nahe, es geht um Theodor W. Adorno, bei dem die Schriftstellerin in den sechziger Jahren studierte, informiert die Kritikerin und fügt hinzu: Das Buch ist keineswegs ein biografischer Rückblick, sondern vielmehr die aus der Perspektive der Heldin Hanna erzählte Geschichte einer Liebesbeziehung "ohne Haut und Hand". Mehr noch: Fasziniert bemerkt die Rezensentin, wie die Autorin die verschiedenen Eindrücke ihrer Figur versprachlicht oder den akribischen weiblichen Blick ihrer Protagonistin auf ihr männliches Umfeld ganz ohne "Geschlechtertrara" beschreibt. Über die wenigen etwas zu "grüblerisch" geratenen Passagen schaut Schmidt gern hinweg.






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