19 Juni 2017

Lesen macht klug und schoen 1273 - Olga Martynova - Der Engelherd

Und es geht um Engel, die entsetzt auf unsere Grausamkeit starren, die rätseln über unser Tun und uns nicht beschützen können.

Olga Martynova - Der Engelherd
Roman



S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016
ISBN 9783100024329
Gebunden, 368 Seiten,
23,00 EUR
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Was wäre, wenn Engel um uns wären? Würde das etwas ändern? Es geht um die Liebe in Olga Martynovas neuem Roman. Um die Liebe zwischen dem Schriftsteller Caspar Waidegger und der jungen Laura, die über ihn ihre Doktorarbeit schreibt. Es geht um die Frage, wie frei oder gefangen wir sind. Um Waideggers behinderte Tochter. Um Familie und Verantwortung also und die Frage, was normal ist und was verrückt. Es geht aber auch um unsere Vergangenheit, die in die Gegenwart ragt. Um eine Schauspielerin, deren Tochter von Euthanasie-Ärzten ermordet wird. Um Schuld also geht es. Und es geht um Engel, die entsetzt auf unsere Grausamkeit starren, die rätseln über unser Tun und uns nicht beschützen können.

Olga Martynova,1962 bei Krasnojarsk in Sibirien geboren, wuchs in Leningrad auf und studierte dort russische Sprache und Literatur. 1991 zog sie nach Deutschland. Sie schreibt Gedichte (auf Russisch) und Essays und Prosa (auf Deutsch). Mit ihrem Romandebüt ›Sogar Papageien überleben uns‹ (2010) kam sie auf die Longlist des Deutschen Buchpreises und auf die Shortlist des Aspekte-Preises. 2011 erhielt sie den Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis und den Roswitha-von-Gandersheim-Preis. Für ein Kapitel aus ihrem Roman ›Mörikes Schlüsselbein‹ gewann sie 2012 den Ingeborg-Bachmann-Preis. 2015 erhielt sie den Berliner Literaturpreis und hatte die Heiner-Müller-Gastprofessur für deutschsprachige Poetik an der FU Berlin inne. 2016 erschien ihr dritter Roman ›Der Engelherd‹. Olga Martynova lebt mit ihrem Mann, dem Autor Oleg Jurjew, in Frankfurt am Main.

Leseprobe PDF

Presse:

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.10.2016
Worum es in Olga Martynovas neuem Roman geht, ist in Nico Bleutges Besprechung nicht ganz leicht auszumachen, auch nicht, ob es sich tatsächlich um einen Roman handelt. Die Schriftstellerin spürt der Nähe von Schönheit und Gewalt nach, deutet Bleutge an, aber auch den Fragen, was Engel wissen, wer in der Gefühlswelt Standards setzt und wie Gesellschaften Grenzen ziehen. Das "Engelische" setzt jedenfalls den poetischen Ton, das macht Bleutge deutlich. Eine Handlung scheint es nicht zu geben, eher Geschichten und Gedanken, die Bleutge durchaus mit Sympathie gelesen hat, aber nicht immer ganz überzeugt, fehlen ihm doch die Leichtigkeit und das Spielerische, das er an Martynovas Vorgängerroman "Mörikes Schlüsselbein" besonders gemocht hatte.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.09.2016
Rezensentin Rose-Maria Gropp kann Olga Martynova nur bewundern. Mutig setzt die Autorin an, um fantastisch von den Präsenzen der Engel zu berichten, meint Gropp. Die Rezensentin wird zwar nicht geschont, muss auch grausame Bilder und den Blick in Abgründe ertragen und einer "metaphysischen" Struktur folgen, die jede intellektuell erfahrbare Realität transzendiert, einer in jeder Hinsicht introspektiven Erzählinstanz, doch steht sie staunend vor diesem unheimlichen und komplexen Gebilde von einem Roman. Nur angesichts des "grausigen" Schlusses scheint es ihr, als traute die Autorin ihren Lesern und ihrer eigenen Kunst nicht, mit der sie "die Trivialität des Lebens gegen das unauslöschliche Unrecht setzt".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 25.08.2016
"Enorm" findet Judith von Sternburg den Roman von Olga Martynova: Was die deutsch-russische Schriftstellerin erzähle, passe kaum zwischen zwei Buchdeckel. Zwar gehe es in "Der Engelherd" durchaus um die titelgebenden Geistwesen, esoterische Anwandlungen müsse der Leser trotzdem nicht befürchten. Der Stoff sei schwer und der Roman durchaus anspruchsvoll konstruiert - mit doppeltem Boden und mehreren Erzählebenen - doch laut Sternburg führe Martynova dabei "mit federleichter Hand an existenzielle Abgründe". Die Kritikerin glaubt angesichts des Wissens, das hier beiläufig durchscheine, dass jahrelange Arbeit hinter der Autorin liegen muss. Bei allem Lob, etwa über Martynovas satirische Abhandlungen aus dem Literaturbetrieb, hat Judith von Sternburg auch einen kleinen Kritikpunkt: Der Roman im Roman, den es hier gebe, werde deutlicher zu Ende erklärt, als es nach Ansicht der Rezensentin nötig gewesen wäre. So fühle man sich ein wenig unterfordert.

Kultur | Das blaue Sofa-Olga Martynova auf dem blauen Sofa

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