17 Januar 2014

Lena Gorelik - Die Listensammlerin - Lesen macht klug und schoen 1093

«Man gewöhnt sich an alles, auch an die Angst»
Lena Gorelik - Die Listensammlerin
Roman
Buchdeckel „Die Listensammlerin“

Rowohlt Verlag, Berlin 2013
ISBN 9783871346064
Gebunden, 350 Seiten,
24,95 EUR
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Sofias Großmutter sprach wenig, immer schon. Diesen Satz – 
«Man gewöhnt sich an alles, auch an die Angst» – 
sagte sie einmal, als sie vom Krieg sprach. 
Aber das ist lange her. Damals lebten sie alle noch in der Sowjetunion, bevor sie Frank, dem Mann ihrer Mutter Anastasia, nach Deutschland folgten. Jetzt liegt die Großmutter im Sterben; täglich warten sie auf die Nachricht aus dem Altenheim, aber sie kommt nicht. 
Weil sich die alte Dame noch eine allerletzte Freiheit herausnehmen wird, wie ein um 2.54 Uhr eintreffender nächtlicher Anruf aus dem Heim zeigt … 

Sofias Herz ist schwer, nur noch wenige Tage sind es bis zu Annas OP. Sie kann an nichts anderes mehr denken. Ins Heim zu ihrer Großmutter zu fahren ist ihr eine Qual. Achtundneunzig Jahre alt zu sein heißt offenbar nicht, leicht gehen zu können. 
Abgemagert bis auf die Knochen, in sich zusammengesackt wie eine Schaumstoffpuppe – es ist vorbei, aber eben noch nicht ganz. 

Sofia wünscht ihrer Oma, die einst keinen Tag ohne das Backen eines duftenden Kuchens verstreichen ließ, den Tod. Alles besser als diese Tortur: «Püreepulver verachtete sie, wie andere Kinderschänder verachten, daran musste ich denken, während ich ihr im Heim das Fertigzeug in den Mund schob.»

Anna ist mit einem halben Herzen auf die Welt gekommen. Zwei lebensgefährliche Operationen liegen schon hinter ihr, jetzt soll die dritte über das Schicksal von Sofias und Flox' Kind entscheiden. Viele aus ihren Familien werden da sein, wenn Annas schmaler Körper in den OP-Saal geschoben wird: Sie und Flox, Frank und Anastasia, Annas Patentante, andere Verwandte. Jetzt heißt es warten, warten. Noch neun Tage. Und Sofia macht, was sie immer macht, wenn sie sich konzentrieren, beruhigen oder ablenken will: Sie schreibt Listen. 
Keine To-do-Listen, sondern lebenswichtige Listen: Was-wäre-wenn-Listen, Katzenlisten, Namenslisten, Anna-Listen, Krankenhauslisten, Menschenlisten.


Lena Gorelik, 1981 in Leningrad (heute St. Petersburg) geboren, kam 1992 mit ihrer Familie nach Deutschland. Mit ihrem Debütroman «Meine weißen Nächte» (2004) wurde die damals dreiundzwanzigjährige Autorin als Entdeckung gefeiert, ihr zweites Buch, «Hochzeit in Jerusalem» (2007), war für den Deutschen Buchpreis nominiert.
Lena Gorelik ist eine Schriftstellerin, die gerne erfindet, manchmal aber auch Ausflüge in die Wissenschaft und den Journalismus macht. In diesem Herbst wurde endlich wieder ein Buch von ihr veröffentlicht. 

Leseprobe:





Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.09.2013
Cornelia Fiedler liest das fünfte Buch von Lena Gorelik weniger der Story wegen gerne, die zwei Lebenslinien miteinander verwebt, eine im heutigen München, eine in einer auch zeitlich fernen Sowjetunion, als aufgrund des präzisen Erzählstils. Wie die Autorin ihr Personal zeichnet, als von den eigenen Ansprüchen und Sehnsüchten überforderte Figuren, unsentimental, doch mitfühlend, hat der Rezensentin eine bemerkenswerte Diagnose unserer Lebensumstände beschert.


Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung,26.09.2013:
Gut gefallen hat Sandra Kerschbaumer, wie Lena Gorelik diesen komischen Familienroman auf zwei Erzählebenen anlegt, mit einer ich-erzählenden Immigrantin im München der Jetztzeit und einem anarchischen Jungen, ihrem Onkel, in der poststalinistischen Sowjetunion, wobei sich die Ebenen und Figuren in der ihnen gemeinsamen Passion des Listenführens überschneiden, wie die Rezensentin erläutert. So leicht plaudernd der Text daherkommt, so tief reicht laut Kerschbaumer das hier gezeichnete Psychogramm des Dissidenten in seiner Ambivalenz, so weit geht die Parallelisierung der beiden Lebensläufe, der russischen Vergangenheit und der Münchner Gegenwart, und so fein arbeitet die Autorin das Trennende wie das Verbindende zwischen den Menschen heraus.

Die junge Frau, die sich noch gar nicht so wirklich an ihr Mutterdasein gewöhnt hat, ist extrem erstaunt, als sie in der Wohnung der Großmutter etwas findet, das fast wie ein Stück von ihr selbst ist: Eine Sammlung unzähliger Listen, so wie sie sie selbst seit Jahrzehnten zusammenstellt – geschrieben von ihrem Onkel Grischa. Ihre Neugier ist nicht mehr zu bändigen, und so versucht sie Stück für Stück anhand Grischas Listen über die verschiedensten Dinge nachzuvollziehen, wer dieser geheimnisvolle Onkel gewesen sein mag, der sich nie dem sowjetischen System unterwerfen wollte, nicht der gesellschaftlichen Norm entsprach und ein rebellisches, individualistisches und dissidentisches Leben lebte. - See more at: http://www.booknerds.de/2013/12/lena-gorelik-die-listensammlerin-hoerbuch-gelesen-von-eva-meckbach/#sthash.069zoQSx.dpuf

„Die Listensammlerin“ ist eine anrührende Geschichte mit überzeugenden Protagonisten. Die Autorin Lena Gorelik erschafft mit Leichtigkeit eine tiefe Verbindung zwischen der Jetztzeit und der Sowjetunion vor 60 Jahren. Man erfährt als Hörer ein bisschen über die sowjetische Geschichte, viel über Sofias Leben und ihre Familie und beginnt deshalb noch mehr, über die eigene Familie nachzudenken.


"Der Roman, oh ja, ist auch stellenweise von einer sanften Komik. Es gibt viele Passagen, über die ich schmunzeln musste. Dazu trägt vor allem Sofia bei, mit ihren liebenswerten Marotten und ihren Schwierigkeiten sich in die neue Rolle als Mutter hineinzufinden. Doch “Die Listensammlerin” ist kein leichter Roman, ganz im Gegenteil: Lena Gorelik hat einen schmerzhaft traurigen Roman geschrieben, durchzogen mit schwermütiger Melancholie und einem feinen Witz. Es ist ein großartiger und sehr lesenswerter Roman."

Literaturmuseum der Moderne: Schülerfragen an Lena Gorelik und Matthias Goeritz


Zitat zum daily book heute:
“Man gewöhnt sich an alles, auch an die Angst. Großmutter hatte das einmal gesagt, als faktischen Nebensatz fallenlassen, nicht mit der Schulter gezuckt, keine Pause gemacht, einmal, als sie vom Krieg sprach.”

“Ich habe eine Liste mit Büchern, die mich zum Weinen gebracht haben, eine mit Büchern, die mich zum Lachen gebracht haben, eine Liste mit Büchern, die ich besser nicht gelesen hätte, eine mit Büchern, die ich noch einmal lesen will. Eine mit Büchern, die noch geschrieben werden müssen, eine mit Büchern, die ich gerne schreiben möchte.”

“Die Listen gaben mir Kraft und Ruhe wie anderen das Gebet, Alkohol, Drogen, ein Therapeut, die Zigaretten und das Shoppen. Ich wusste, dass sowohl Drogen wie auch Psychotherapeuten gesellschaftlich weit anerkannter sind als Listen. Aber Listen, zumal solche Listen, sind rar, außer mir schreibt meines Wissens niemand so viele Liste, niemand ordnet, niemand pflegt sie. Es ist also in Ordnung, seinem Körper in gewissem Maße Alkohol und Nikotin zuzuführen, um abzuschalten oder auf andere Gedanken zu kommen. Aber jemand, der zu seiner Beruhigung und inneren Ausgeglichenheit nichts weiter als ein Blatt Papier und einen Stift braucht, gilt als sonderbar.”
Lena Gorelik

Lena Gorelik im Gespräch! NOVEMBER 15, 2013
"Mit “Die Listensammlerin” stand sie zwar nicht auf der Longlist des Deutschen Buchpreises, ich habe den Roman aber dennoch ins Herz geschlossen. In meinem Interview mit ihr spreche ich nicht nur über Literatur.
"Vom Messewahnsinn zu deiner Biographie: Du wurdest 1981 in Sankt Petersburg geboren und bist 1992 mit deiner Familie nach Deutschland gekommen – was verbindest du noch mit deinem Herkunftsland?
Gorelik: Ganz viele Kindheitserinnerungen natürlich, alles das, was einen prägt. Die ersten Gerüche, die Kuchen, die ich als Kind gegessen habe, die Spiele, die ich gespielt habe. Mit meinem Herkunftsland verbinde ich Kindheit. Ich glaube auch, dass meine Vorstellung von Sankt Petersburg oder von dem Land, sehr wenig mit der tatsächlichen Realität zu tun hat, sondern in den achtziger Jahren hängengeblieben ist."
http://buzzaldrins.wordpress.com/2013/11/15/lena-gorelik-im-gesprach/?relatedposts_exclude=2396


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