Viviane hat ihren Psychoanalytiker getötet und rechnet nun jederzeit damit, dass man sie überführt.
Roman
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2013
ISBN 9783803132512
Gebunden, 144 Seiten,
16,90 EUR
Ein Mord ist geschehen. Viviane Élisabeth Fauville sieht sich selbst, wie von fremder Hand geführt, durch Paris irren. Die Hinweise verdichten sich, es scheint nur eine Frage der Zeit. Dieser flirrende Roman zeigt eindrucksvoll, wie weit eine Frau zu gehen bereit ist, die alles verloren glaubt.
Viviane Élisabeth Fauville ist Anfang vierzig. Was sie nicht mehr hat: ihren schönen Mann, ihr einstiges Zuhause. Was sie hat: eine zwölf Wochen alte Tochter, eine neue Wohnung voll mit nicht ausgepackten Umzugskisten, den Schaukelstuhl.
Viviane hat ihren Psychoanalytiker getötet und rechnet nun jederzeit damit, dass man sie überführt. Die Tatwaffe ist gereinigt, die eigene Mutter als Alibi angegeben, ein Motiv nicht vorhanden ... und doch.
Élisabeth verliert sich in Straßen und Metrogängen, lauert den übrigen Verdächtigen auf, sie fragt und forscht, das Baby im Arm. Dann entdeckt die Polizei, dass ihre Mutter seit acht Jahren tot ist. Es schneit in Paris und die Welt gerät ihr aus allen Fugen.
Karg, absurd und lakonisch ist dieser atemlose Roman nur vordergründig eine Kriminalgeschichte. Sie bildet den Rahmen für ein meisterlich in Sprache gesetztes Spiel mit dem verblüfften Leser: Immer wieder werden alle Sicherheiten aufgehoben, stellt sich das, was man herausgefunden zu haben meint, als falsch heraus, oder doch nicht?
Die Schriftstellerin Anne Weber hat den Roman hervorragend ins Deutsche übertragen.
Viviane Élisabeth Fauville steht auf der Hotlist 2013.
Aus dem Französischen von Anne Weber.
Julia Deck, geboren 1974 in Paris, studierte Literatur an der Sorbonne, unterrichtete Französisch und absolvierte eine Journalistenschule. Sie arbeitet heute als Redaktionsassistentin bei dem Branchenmagazin Livres Hebdo. Viviane Élisabeth Fauville ist ihr erster Roman.
Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung,20.11.2013:"Der Mangel dieses Romandebüts, ein überweit getriebenes Vexierspiel um Mord und Verdrängung, ist Niklas Bender lieber als alle übliche Glätte anderer Erstlinge. Bender gefällt Julia Decks schnittiger Stil, gefällt auch die Perspektive der dritten Person, die ihn angenehm an Butor erinnert, gefällt der Plot um eine durchgeknallte alleinerziehende Mutter, die verdächtigt wird, ihren Psychiater erstochen zu haben. Eine Weile scheint ihm die Sprunghaftigkeit des Textes die Verwirrung der Heldin prima abzubilden. Irgendwann summt Bender der Kopf. Eines aber weiß er sicher: Ein banaler Krimi ist das nicht."
Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.10.2013:
"Das Ende ist Eva Behrendt eine Spur zu enttäuschend. Davor aber hat Behrendt ein faszinierendes Romandebüt genossen, das sie mit grammatikalischen Eigenarten, bitterböser Komik und kühlem Ton auf ungewohnte Weise unterhalten hat. Ein Psychoanalytiker mit einem Messer im Bauch und eine Mörderin, die von Anbeginn festzustehen scheint, sind für die Rezensentin nur die Eckpunkte einer Geschichte, die die Autorin laut Behrendt mit ironisch gebrochenen Motiven aus der Psychoanalyse, exakter Paristopografie und einem experimentellen Umgang mit der Erzählhaltung tuned. Herauskommt laut Behrendt mehr als eine Fingerübung."
Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.10.2013:
"Rezensentin Nina Apin ist es eine Freude, sich von Julia Deck in diesem lakonisch-sarkastisch unterfütterten Krimi an der Nase herumführen zu lassen: Dessen Protagonistin hat womöglich ihren Psychoanalytiker erstochen - so genau weiß man es aber nicht, da Deck, wie Apin schildert, die Erzählung mit allerlei Kniffen immer soweit kippen lässt, dass man einfach nicht dahinter kommt, was es mit der möglichen und immer unberechenbarer auftretenden Mörderin auf sich hat. Das macht sie in Apins Augen allerdings nur interessanter - sympathisch findet sie deren Verdruss, sich den Erwartungen an die Lebensführung nicht zu fügen, sowieso. Allerdings ist die Kriminalgeschichte ohnehin "nur vordergründig", meint die Rezensentin: Wenn Deck die Pariser Bourgeoisie genüsslich aufspießt, sei dieser Roman erst ganz bei sich."
"Eigentlich veranschaulicht Julia Deck in ihrem Roman "Viviane Élisabeth Fauville" die psychische Erkrankung einer Frau. Und das tut sie auf ebenso eindrucksvolle wie spannende und raffinierte Weise. Julia Deck erzählt ohne verschnörkelte Verzierungen, rasch, knapp, konzentriert und verdichtet. Der größte Teil des Textes steht in der zweiten Person Singular und bezieht sich auf die Protagonistin Viviane Élisabeth Fauville. In einer Passage ist mit dem "Sie" aber auch Angèle Trognon gemeint. Zwischendurch wechselt Julia Deck vom "Sie" zum "wir" und in die dritte Person Singular."
"Unerbittlich zieht uns Julia Deck hinein in ihren schmalen, erstaunlichen Debütroman. Nicht nur in die karge, noch kaum eingerichtete Wohnung am Gare de l’Est, in der ihre Protagonistin, „Viviane Élisabeth Fauville“ – so der Titel des Buches – sich wiederfindet, sondern sogleich auch in die Mittäterschaft. Während Viviane ihre Tochter in den Armen wiegt, beschleicht sie eine düstere Ahnung. „Sie sind nicht ganz sicher, aber Sie haben das Gefühl, vor vier oder fünf Stunden etwas getan zu haben, was Sie nicht hätten tun sollen.“
"Der Mord wird kaum noch als Verbrechen gegen die Mitmenschen gesehen, sondern als persönliches Dilemma der Mörderin. Das Buch handelt von Viviannes persönlichem Leiden, nicht von einer Idee, die zum Mord führte, das individuelle Erleben steht über allem. Damit trifft Julia Deck ins Schwarze, denn in heutiger Zeit wird den Tätern mehr Aufmerksamkeit geschenkt als den Opfern, das Publikum giert danach in einen Geist einzutauchen, der die Hand führte beim Auslöschen anderer Leben. Ein gelungenes Debüt, unterhaltsam, mutig und zeitgemäß."
SWR2 Die Buchkritik vom 31.10.2013: Julia Deck: "Viviane Élisabeth Fauville"
SWR2 Literatur | 31.10.2013, 14.55 Uhr
Zitat zum daily book heute:
"Sie sind nicht ganz sicher, aber Sie haben das Gefühl, vor vier oder fünf Stunden etwas getan zu haben, was sie nicht hätte tun sollen. Sie versuchen, sich die Abfolge Ihgrer Gesten in Erinnerung zu rufen, deren Faden wiederaufzunehmen, aber jedesmal, wenn sie eine zu fassen bekommen, fällt sie, statt automatisch die Erinnerung der nächstem nach sich zu ziehen, wie ein Stein auf den Grund jenes Loches, das nun Ihr Gedächntis ist." Julia Deck
"Es ist Julia Deck mit “Viviane Élisabeth Fauville” ein Roman gelungen, der wie ein Krimi daherkommt, von einer psychischen Erkrankung handelt und diese nachvollziehbar macht und dabei eine ungeheure Sogwirkung entfaltet, die dem Leser das Gefühl vermittelt, Teil eines Komplotts zu sein."
"Bis zuletzt scheint es zweifellos durch die verschwommene Erinnerung Vivianes bewiesen, dass sie in ihrer Verzweiflungen ihren Analytiker Sergant erstochen hat. Doch Julia Deck gelingt es noch in den letzten Zügen, diese Sicherheit in Rauch aufzulösen. Heraus kommt letztlich ein brilliantes Spiel mit Wahn und Wirklichkeit, sprachlich so nüchtern wie gelegentlich scharfzüngig und abgeklärt. Dieses schmale Büchlein ist eine echte Perle, die ein breites Publikum verdient. Ein beeindruckender literarischer Auftakt für Julia Deck!"
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