09 November 2015

Lesen macht klug und schoen 1199 - Helen Macdonald - H wie Habicht

„Der Habicht war all das, was ich sein wollte: ein Einzelgänger, selbstbeherrscht, frei von Trauer und taub gegenüber den Verletzungen des Lebens.“ Helen Macdonald

Helen Macdonald - H wie Habicht

H wie Habicht - Helen Macdonald

Allegria Verlag, Berlin 2015
ISBN 9783793422983
Gebunden, 416 Seiten,
20,00 EUR
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Der Tod ihres Vaters trifft Helen unerwartet. Erschüttert von der Wucht der Trauer wird der Kindheitstraum in ihr wach, ihren eigenen Habicht aufzuziehen und zu zähmen. Und so zieht das stolze Habichtweibchen Mabel bei ihr ein. Durch die intensive Beschäftigung mit dem Tier entwickelt sich eine konzentrierte Nähe zwischen den beiden, die tröstend und heilend wirkt. Doch Mabel ist nicht irgendein Tier. Mabel ist ein Greifvogel. Mabel tötet.

Schon als Kind beschloss Helen Macdonald, Falknerin zu werden. Sie eignete sich das komplizierte Fachvokabular an, mit dem sich die Falkner wie in einer Geheimsprache untereinander verständigen, und las die Klassiker der Falknereiliteratur. Ihr Vater unterstützte sie in dieser ungewöhnlichen Leidenschaft, er lehrte sie Geduld und Selbstvertrauen und blieb eine wichtige Bezugsperson in ihrem Leben. Als ihr Vater stirbt, setzt sich ein Gedanke in Helens Kopf fest: Sie muss ihren eigenen Habicht abrichten. Sie ersteht einen der beeindruckenden Vögel, ein Habichtweibchen, das sie auf den Namen Mabel tauft, und begibt sich auf die abenteuerliche Reise, das wildeste aller wilden Tiere zu zähmen. Ein Buch über die Erinnerung, über Natur und Freiheit - und über das Glück, sich einer großen Aufgabe von ganzem Herzen zu widmen.

Helen Macdonald ist Autorin, Lyrikerin, Illustratorin und Historikerin. Sie arbeitet an der University of Cambridge, England, im Bereich Geschichte und Philosophie der Wissenschaften. H wie Habicht erhielt in England den renommierten Samuel Johnson Prize, der herausragenden Sachbüchern verliehen wird, sowie den hochdotierten Costa Award für das beste Buch des Jahres. 

Presse:


Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 31.10.2015
Rezensent Alex Rühle taucht verwundert auf aus der Leseerfahrung, die ihm Helen Macdonald beschert. Und was für eine!, versichert der Rezensent. Von Zuständen des Verrücktseins und der Trauer zu einer Spannung trägt ihn der Text, die Rühle kaum aushält. Dann Glanz. Und erzählerische Eleganz. Wie die Autorin Trauertagebuch, Biografie und Naturessay miteinander vereint, um ihr eigenes familiäres Schicksal mit der Zähmung eines Greifs zusammenzudenken, so etwas hat Rühle noch nie gelesen. Die Beziehung zwischen der Autorin und dem Habicht eröffnet dem Rezensenten buchstäblich die Vogelperspektive auf Mensch und Leben. Die von Macdonald gleichfalls in den Text aufgenommenen Passagen über Techniken der Greif-Abrichtung und die Versuche des Dichters T. H. White, einen Habicht zu zähmen, vervollständigen den Text für Rühle zu einer verstörend starken Erfahrung.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 15.10.2015
Durch einen Raubvogel mehr über sich selbst erfahren: Das gelingt laut Rezensent Jürgen Brôcan der Autorin Helen Macdonald. "H wie Habicht" erzähle von der Begegnung mit dem Wilden und dessen Andersartigkeit, so der Rezensent, und tue dies "bald schnörkellos flott, bald lyrisch und still", insgesamt mit "poetischer Anmut". Zwar klingt das Szenario vom abgerichteten Vogel, der stets freiwillig zu seiner Halterin zurückkehrt, für Brôcan zunächst nach der Zutat für ein Rührstück, doch das Buch entpuppt sich dann als "gefährlicher Trip in neue Wahrnehmungsweisen". Besonders fasziniert zeigt sich der Kritiker von den Beschreibungen des Habichts beim Erlegen seiner Beute - und Macdonalds damit verbundenem Schwanken zwischen Ekel und Befriedigung.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 08.10.2015
Geradezu hymnisch bespricht Rezensent Andreas Isenschmid das "literarisch strahlende Greifvogelbuch" von Helen Macdonald. Die Autorin hat mit "H wie Habicht" zwei Bücher miteinander verwoben, einen "bewegenden Bildungs- und Familienroman", der mit dem Tod des Vaters sein Ende findet, und ein "enorm lesbares Sachbuch", erklärt der Rezensent. MacDonald kennt sich aus: Eine Falken-Monografie hat sie schon vor Jahren veröffentlicht, weiß der Rezensent, und ist regelrecht besessen von gefiederten Raubtieren. Isenschmid hebt die Sprachkraft Macdonalds hervor, das ornithologische Fachwissen und die meisterlichen Beschreibungen der englischen Landschaft. Eine hellsichtige Psychologin ist sie für ihn eh. Man ist als Leser sogar kurz davor, sich selbst in einen Greifvogel zu verwandeln, so der Kritiker, schließlich sei diese Identifikation auch das Ziel der Autorin gewesen: die Welt mit den Augen eines Habichts zu sehen.


Rezensionsnotiz zu Die Welt, 22.08.2015
Für Eckhard Fuhr geht Helen MacDonalds Buch über das Literarische hinaus. Die Balance zu finden zwischen Nähe und Distanz in der Schilderung eines Umgangs mit Greifvögeln, meint er, ist das eine. Für Fuhr aber verweist es nicht zuletzt auch auf die Notwendigkeit einer Balance im wirklichen Umgang mit Tieren, ein aktuelles Thema, meint er. Davon abgesehen aber scheint ihm die Autorin mit ihrer wundersamen Geschichte über ihren Weg in die Falknerei und speziell über das Leben mit einem Habicht die Tradition der Naturschilderung aufs Schönste wiederzubeleben. Kein Buch über englische Landaristokratie, keine metaphysische Lebenskrise-Story, sondern ein spezielles Buch über eine Reise in die innere Wildnis, findet Fuhr.





Zitat: »Um einen Greifvogel abzurichten, muss man ihn wie einen Greifvogel beobachten, erst dann kann man vorhersagen, was er als Nächstes tun wird. Schließlich sieht man die Körpersprache des Vogels gar nicht mehr – man scheint zu fühlen, was der Vogel fühlt. Die Wahrnehmung des Vogels wird zur eigenen. Als die Tage in dem abgedunkelten Raum vergingen und ich mich immer mehr in den Habicht hineinversetzte, schmolz mein Menschsein von mir ab.«


»[Macdonalds] anschaulicher Stil – verblüffend und außerordentlich präzise – ist nur ein Teil dessen, was dieses Buch ausmacht. Die Geschichte vom Abrichten Mabels liest sich wie ein Thriller. Die allmählich und behutsam anwachsende Spannung lässt den Atem stocken ... Fesselnd.« Rachel Cooke Observer



Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.08.2015
In Großbritannien nennt man das, was Helen Macdonald in "H wie Habicht" tut, "New Nature Writing", weiß Sylvia Staude, nüchterne Natur- und Tierbetrachtungen vermengen sich hier mit biografischen und durchweg lyrischen Passagen. Helen Macdonald beschreibt also, wie sie einen Habicht 'abtrug', zähmte - so weit das überhaupt möglich ist, so die Rezensentin. Bei der Domestizierung dieser Raubvögel stößt man auch mit viel Aufwand früh an Grenzen, erfährt Staude: Habichte reagieren "buchstäblich ohne nachzudenken", und es braucht eine Ewigkeit bis die Reflexe für anderes Raum lassen als für Flucht und Jagd, erklärt die Rezensentin. Am Beispiel des Raubvogels beschreibt Macdonald das "kreatürliche Anders-Sein des Tiers" im Extrem, fasst Staude zusammen.

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